Wanrstreiks in Belrin
In Sachsen demonstrierten auch am Mittwoch Hunderte sächsische Lehrerinnen und Lehrer gegen die Vorschläge aus dem Kultusministerium. (Symbolbild) Bildrechte: imago images / snapshot

Demonstrationen Demos von Lehrkräften in Sachsen: Kultusminister Clemens verteidigt Pläne

09. April 2025, 19:43 Uhr

Während in Sachsen die Abi-Prüfungen gestartet sind, haben in dieser Woche empörte Lehrer und Lehrerinnen demonstriert. Verärgert hat sie ein Maßnahmepaket aus dem Kultusministerium. "Ein Schlag ins Gesicht", "ein Tritt in den Hintern" seien die Vorschläge gegen Unterrichtsausfall und Lehrermangel. Vor allem Ältere sind wütend. Der Minister will bei seiner Linie bleiben, zeigt sich aber gesprächsbereit.

Hunderte Lehrkräfte in Sachsen haben erneut gegen das Bildungspaket des sächsischen Kultusministeriums protestiert. Nachdem sich bereits am Dienstag rund 1.500 Demonstrierende versammelten vor dem Landesamt für Schule und Bildung in Leipzig versammelt hatten, gab es am Mittwoch Proteste in Chemnitz. Der Sächsische Lehrerverband und die GEW hatten zu den Protesten gegen die geplanten Maßnahmen des Kultusministeriums zur Unterrichtsversorgung aufgerufen. Die Kritik der Gewerkschaft: Die Pläne würden die Lage verschärfen, zu mehr Frontalunterricht und weniger Zeit für Schüler und Schülerinnen führen und zu einem vorzeitigen Ausstieg erfahrener Lehrkräfte.

Minister verteidigt seine Pläne

Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU) verteidigte am Mittwochabend im MDR SACHSENSPIEGEL seine Pläne, zeigte sich aber gesprächsbereit. "Ich weiß, dass die Pläne nicht nur beliebt sind, aber sie sind gut begründet", so Clemens. Es sei in vielen Schulen Realität, dass nur 80 Prozent der Stunden stattfänden. "Ich muss auch an die Schülerinnen und Schüler denken, nicht nur die Lehrer", sagte der Minister.

Ich muss auch an die Schülerinnen und Schüler denken.

Conrad Clemens Kultusminister Sachsen

Allerdings zeigte sich Clemens auch offen für Änderungen an seinen Plänen. Er werde am Donnerstag mit den Demonstrierenden in Dresden sprechen. "Insbesondere die Altersermäßigung werden wir uns anschauen." Jetzt werde man diskutieren und im Mai über den endgültigen Plan entscheiden, sagte er.

Conrad Clemens - Kultusminster in Sachsen
Kultusminister Conrad Clemens will nun mit Demonstrierenden sprechen und sich die Altersabminderung noch einmal anschauen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Laut Clemens wurden zum Winterhalbjahr 900 neue Verträge mit Lehrkräften, Seiteneinsteigern und pädagogischen Fachkräften abgeschlossen. Zudem gebe es so viele Bewerber wie noch nie. Trotzdem hat er Gesprächsbereitschaft signalisiert. Ende April will er sich mit Gewerkschaftern treffen.

Großer Aufreger: Abminderungsstunde erst ab 63

Clemens hatte Mitte März einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung vorgestellt. Die Pläne sorgten vor allem bei Lehrkräften für Unmut. Insbesondere die Verschiebung der Altersermäßigungen von 58 auf 63 Jahre stieß auf Kritik sowie die geplante Abordnung von Grundschul- und Gymnasial-Lehrkräften an Oberschulen. Künftig sollen Lehrkräfte erst ab dem 63. Lebensjahr eine sogenannte Abminderungsstunde erhalten.

Die Regelung würde einen Großteil der Lehrer betreffen. Denn 46 Prozent der Lehrer sind über 50 Jahre alt. Die meisten von ihnen sind im Alter von 50 bis 59 Jahren. Der überwiegende Anteil von ihnen arbeitet in Grund- und Oberschulen.

Silke Mattes ist 58 Jahre und unterrichtet Biologie und Chemie an einem Gymnasium in Großenhain. Sie ärgert sich besonders, über diesen Punkt der 21 geplanten Maßnahmen, wie sie mit dem MDR sagte: "Es trifft schon wieder die Alten, die ältere Lehrergeneration, die schon so viel mitgemacht hat."

Es trifft schon wieder die Alten, die ältere Lehrergeneration, die schon so viel mitgemacht hat.

Silke Mattes Bio- und Chemielehrerin

Ein Schild "Der Unterricht fällt heute aus!"
Mit 21 Vorschlägen will das Kultusministerium den Unterichtsausfall in Sachsen halbieren. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / dpa | Friso Gentsch

21 Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall in Sachsen

Mit einem Bündel von 21 Vorschlägen will das Kultusministerium den Unterrichtsausfall in Sachsen halbieren. Ende Mai sollen die Vorschläge beschlossen werden. Für Ende April wurden Gespräche mit der GEW angekündigt. Das sind die Vorschläge im Einzelnen:

Lehrerin schreibt Klassenregeln an die Tafel
Die Pläne aus dem Ministerium sorgen derzeit in sächsischen Lehrerzimmern für Unmut. (Symbolbild) Bildrechte: imago/photothek

Lehrerin: "Es ist wie ein Tritt in den Hintern"

Nach Bekanntwerden des geplanten Maßnahmenpakets erreichten MDR SACHSEN weit mehr als 50 Zuschriften von Lehrerinnen und Lehrern aus Sachsen. Die meisten wollten ihren Namen nicht nennen und wenn überhaupt, nur anonym zitiert werden. Positives Feedback war nicht darunter, dafür viel Kritik. Auch ein Artikel, den das Sächsische Kultusministerium selbst auf seinem Blog zu den Vorschlägen veröffentlicht hat, wurde weit über weit über 100 Mal kommentiert, oftmals sehr ausführlich, meist anonym.

Eine Lehrerin aus einer Kleinstadt bei Dresden sagte MDR SACHSEN: "Die Maßnahmen treffen genau diejenigen, die man in den 1990er-Jahren erst in Zwangsteilzeit geschickt hat, die also erstmal Einkommenseinbußen hatten und dadurch weniger Rente bekommen werden und denen man später aus Altersgründen die Verbeamtung verweigert hat." Seit 35 Jahren ist sie im Schuldienst und unterrichtet Fremdsprachen an einem Gymnasium. Die heute 59-Jährige sagt: "Es ist wie ein Tritt in den Hintern, zum wiederholten Male." Ihre drei Kolleginnen, die am Nachmittag ebenfalls in ihrer Küche sitzen, nicken zustimmend.

Als die Verbeamtung kam, hätten die vier noch gekämpft. Doch geholfen habe es nichts. Heute sitzen sie mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer, die im Monat zwischen 800 und 1.000 Euro netto mehr Geld in der Tasche haben, wie sie sagen.

Ich bin Lehrerin aus Leidenschaft, aber die Rahmenbedingungen machen mich krank!

Lehrerin (61 Jahre) aus einer Kleinstadt bei Dresden

Dabei sind sie gerne Lehrerinnen. "Jeder Tag ist anders, steckt voller Überraschungen", sagt eine der vier Lehrerinnen. Eine andere ergänzt: "Dieser Stolz, wenn die Schüler was geschafft haben, oder wenn sie mit ihren Sorgen und Nöten kommen, das berührt mich oder wenn sie nach dem Unterricht kommen und völlig unvermittelt einen Witz erzählen."

Minutenlang schwärmen sie über die schönen Momente, doch dann wird es wieder ernst: "Ich bin Lehrerin aus Leidenschaft, aber die Rahmenbedingungen machen mich krank!"

Schüler in der Grundschule melden sich im Unterricht
Insbesondere ältere Lehrer sehen sich Mehrbelastungen ausgesetzt, wenn die Pläne des Kultusministeriums umgesetzt werden. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/imagebroker

Weniger Klausuren - schlecht für die Schüler

Die Lehrerinnen appellieren an die Solidarität der Eltern: die Maßnahmen hätten auch Auswirkungen für ihre Kinder. "Kinder brauchen gesunde und motivierte Lehrer", sagt eine Sport- und Geschichtslehrerin, die schon zu DDR-Zeiten unterrichtet hat.

Auch von der Idee, weniger Klausuren zu schreiben, halten sie wenig. Obwohl sie gerade durch die geringere Anzahl der Klausuren entlastet würden: "Wenn mal einer einen schlechten Tag hat, und eine Klausur verhaut, wie soll er die denn wieder ausgleichen?" Ihre Kollegin ergänzt: "Die Leistungsüberprüfungen zu reduzieren bedeutet, dass wir überhaupt keinen Überblick haben über die Leistung der Kinder." Nur Dienst nach Vorschrift machen wollen sie nicht, sagen sie.

Ein Mann spricht in ein Mikrofon.
Fabian Wolff, Bezirksvorsitzender GEW Leipzig, sieht die Vorschläge aus dem Kultusministerium kritisch. Bildrechte: MDR

Verband fordert mehr Wertschätzung für Lehrkräfte

Lehrer und Gewerkschaften sehen in den Plänen einen "Affront gegen die Lehrkräfte und Schulleitungen". Sie bedeuteten "eine erhebliche Mehrbelastung" und werde von den älteren Lehrern als Missachtung ihrer langjährigen Leistungen empfunden. Der Lehrerverband fordert die Rücknahme der vorgestellten Pläne und schlägt stattdessen eine freiwillige Teilzeit von 58 Jahren sowie eine angemessene Bezahlung jeder Mehrarbeitsstunde vor, damit Lehrkräfte länger im Schuldienst bleiben.

Burghard Naumann, Vorsitzender der GEW Sachsen sagte dazu dem MDR: "Wir sehen das Problem, dass viele ältere Lehrkräfte ja im Schuldienst bleiben sollten, um eine bessere Unterrichtsabdeckung zu bekommen, man macht aber jetzt das Gegenteil: Man treibt sie schneller aus dem Beruf raus."

Gründe für die Vorschläge aus dem Kultusministerium - Laut sächsischem Kultusministerium kann der Unterricht an öffentlichen Schulen derzeit nicht vollständig abgesichert werden.

- Sachsenweit würden mindestens 1.400 Vollzeitlehrkräfte fehlen.

- Im Schnitt seien im vergangenem Jahr 14,8 Prozent des Unterrichts an Oberschulen ausgefallen, in Regionen wie Bautzen oder Chemnitz seien gar 18 Prozent ausgefallen, also jede sechste Stunde.

- 92 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer bleiben nicht bis zur Regelaltersgrenze im Schuldienst.

MDR (kav,lam,ben)/epd

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 09. April 2025 | 19:00 Uhr

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