Schmelze in der Antarktis Meereis-Ausdehnung so gering wie nie
In der Antarktis gibt es so wenig Meereis wie noch nie seit Beginn der Satellitenbeobachtungen vor 40 Jahren. Der Tiefststand ist allerdings noch nicht erreicht, denn die Schmelzperiode dauert noch an - Forscher schlagen Alarm.
Die von Eis bedeckten Meeresflächen rund um die Antarktis sind aktuell so stark geschrumpft, wie zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte. Seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen vor rund 40 Jahren hätte es noch nie so wenig Meereis gegeben wie heute, meinen Forschende. Besonders bedenklich sei das Rekordminimum, weil es noch deutlich vor Ende der sommerlichen Schmelzperiode auftritt.
Wie das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung mitteilte, seien nur noch 2,2 Millionen Quadratkilometer des südlichen Ozeans von Meereis bedeckt. Der Forschungs-Eisbrecher "Polarstern" berichtete demnach von nahezu eisfreien Verhältnissen auf der antarktischen Bellingshausensee, wo ein Expeditionsteam gerade Informationen über vergangene Eis- und Warmzeiten sammelt.
Schmelze setzt sich fort
Den bisherigen Tiefststand seit Aufzeichnungsbeginn, etwa 2,27 Millionen Quadratkilometern am 24. Februar 2022, hätte man also bereits unterschritten. Es sei durchaus möglich, in diesem Jahr während der sommerlichen Schmelzperioden eine noch geringere Eisabdeckung zu erreichen. "Da die Meereisschmelze in der Antarktis voraussichtlich bis in die zweite Februarhälfte weiter andauert, können wir heute noch nicht sagen, wann der neue Negativrekord erreicht sein wird und wie viel Meereis bis dahin noch zusätzlich schmilzt", erklärte der Meereisphysiker Professor Christian Haas.
Das Meereis in der Antarktis habe, so Haas, in den vergangenen sechs Jahren besonders stark abgenommen. Diese Entwicklung sei "sehr erstaunlich, weil sich die Eisbedeckung in den 35 Jahren davor kaum verändert hatte." Es sei unklar, ob diese Entwicklung darauf hin deute, dass bald kein sommerliches Meereis mehr in der Antarktis vorhanden sein könnte.
"Polarstern" in eisfreien Gewässern
AWI-Expeditionsleiter und Geophysiker Professor Karsten Gohl ist seit 1994 bereits zum siebten Mal in dieser Region. Er sagte: "Eine solche extreme eisfreie Situation habe ich hier zuvor noch nicht erlebt." Das Forschungsteam auf der "Polarstern" hätte zwar durch das wenige Eis gute Arbeitsbedingungen, aber der rasante Wandel der Eisflächen sei bedenklich.
Das Ausmaß der starken Schmelze sei besonders auffällig, wenn man einen Blick in die Geschichtsbücher werfe: So sei im Südsommer vor 125 Jahren das belgische Forschungsschiff "Belgica" in genau jenem Gebiet für mehr als ein ganzes Jahr unfreiwillig im massiven Packeis eingefroren, in dem die "Polarstern" heute komplett frei von Eis operieren könne.
Die Forschenden des AWI und der Universität Bremen stellen ihre Daten auf dem sogenannten Meereisportal zur Verfügung. Die Seite gibt Überblick über die aktuelle Entwicklung der Eisabdeckung. Demnach gelten September und Oktober als Höhepunkt des Zufrierens der Meere, im Februar erreiche das Eis dann seine niedrigste Abdeckung. Bei ihrer maximalen Ausdehnung betrage die Meereisbedeckung in der Antarktis im Allgemeinen zwischen 18 und 20 Millionen Quadratkilometer.
Korrektur: In einer früheren Version des Artikels wurde an einigen Stellen die Eisausdehnung in der Arktis genannt. Alle Angaben beziehen sich aber auf die Antarktis. Wir haben dies korrigiert.