Medizinische Forschende von Universitäten und des National Institutes of Health versammeln sich in der Nähe des Hauptquartiers der Gesundheitsbehörden in Washington

Exodus nach Europa? Trumps Angriff auf die Wissenschaft

Stand: 06.03.2025 17:19 Uhr

Der Kahlschlag, den Trump und Musk am US-Staatsapparat vollziehen, könnte kaum größer sein. Besonders folgenschwer ist das im Bereich der Wissenschaft. Forscher befürchten, das könnte Leben kosten.

Von Jan Schmitt und Véronique Gantenberg, WDR

Den Kampf gegen die Wissenschaft hat Donald Trump offen proklamiert. "Ich glaube, Wissenschaft weiß gar nichts", sagte der US-Präsident schon 2020. Und der heutige Vizepräsident JD Vance erklärte 2021 Professoren zu Feinden und sagte, "für die Dinge, die wir tun wollen, müssen wir die Universitäten offen und aggressiv attackieren".

Besonders im Blick hat die neue Regierung jene Wissenschaften, die ihrer Ideologie widersprechen: Klimaforschung, Politik- und Sozialwissenschaften und auch große Teile der Gesundheitsforschung.

Sie wolle "die Wissenschaft kontrollieren" und "unliebsame Forschungsfelder zurückfahren", so beschreibt es der Präsident der deutschen Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, im Interview mit dem ARD-Magazin Monitor. 

"In der Folge werden Menschen sterben"

Die Kürzungen firmieren erst einmal als "Einsparungen". Das Prinzip Kettensäge von Trumps Bevollmächtigtem Elon Musk hat auch lebensnotwendige Disziplinen getroffen: Forschungen zu Alzheimer, Diabetes, Krebs oder Impfstoffen wurden um Milliarden gekürzt. 

Der Friedensnobelpreisträger und Klimaforscher Michael Oppenheimer hält die Folgen für unüberschaubar. "Institutionen werden zerstört und infolgedessen werden Menschen sterben", sagt er, man werde nicht mehr fähig sein, "Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen".

Tausende Menschen wurden bereits im Medizin- und Gesundheitsbereich entlassen. 1.300 Menschen etwa bei der Gesundheitsbehörde (CDC), mehr als 1.000 bei der Arzneimittelbehörde (FDA) und mehr als 1.200 Menschen beim Institut für Gesundheitsforschung (NIH).

Als Wissenschaftler nicht mehr willkommen

Martin Basch ist einer von ihnen. Er kam vor 27 Jahren aus Argentinien in die USA und machte eine steile wissenschaftliche Karriere. Neun Jahre forschte und lehrte er als Professor an der Case Western Reserve University in Ohio zur Gehörlosigkeit.

Dann ging er im vergangenen Jahr als Forschungsleiter zum NIH. Am 14. Februar wurde ihm dort gekündigt. Auch klinische Studien seien einfach eingestellt worden, sagt er. "Die Patienten wurden alleingelassen." Viele wissenschaftliche Projekte könnten nicht mehr finanziert werden.

Für ihn persönlich sind die Auswirkungen extrem. "Ich habe ein Leben hier, ein Haus, das ich nun verkaufen muss, weil ich mir nicht leisten kann, es zu behalten. Ich fühle mich in diesem Land nicht mehr willkommen." 

Chance für Forschungsstandort Europa

Basch sieht sich gedrängt, das Land zu verlassen - am liebsten Richtung Deutschland. Äußerungen des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, machen ihm Hoffnung.

Cramer will Forschern, deren Arbeit dort nicht mehr willkommen ist, eine neue Heimat bieten und sieht auch neue Möglichkeiten, Spitzenforschung hier anzusiedeln.

"Ich denke, es ist auf jeden Fall eine große Chance für den Forschungsstandort Europa. Weil wir eben auf einmal Talente rekrutieren können, die wir unter normalen Umständen so nicht hätten gewinnen können. Aber für die Forschung insgesamt, für die Wissenschaft insgesamt auf der Welt, ist es ein ganz klarer Rückschritt, etwas, was mir ganz große Sorgen bereitet", sagt Cramer. 

Selbst Wettervorhersage betroffen

Wie die Regierung die Kontrolle über die Wissenschaft übernehme, zeige sich nun auch am Angriff auf die zentrale Wetterbehörde NOAA, die Hurricane-Warnungen herausgibt, Wettervorhersagen macht und Klimaforschung betreibt. 1.300 Menschen wurden hier entlassen. 

Einer von ihnen war Tom di Liberto, Spitzenforscher im Bereich Meeresströmungen. "Seitdem leben wir alle weniger sicher", sagt der Klimawissenschaftler di Liberto. "Wir können Wetterereignisse seitdem nicht mehr zuverlässig vorhersagen."

Agenda Project 2025

Aber warum attackiert Trump die zentrale Wetterbehörde? NOAA wurde bereits im "Project 2025" als konkretes Ziel genannt. Bei "Project 2025" handelt es sich um einen Maßnahmenkatalog der konservativen, Trump nahestehenden Heritage Foundation für dessen zweite Amtszeit:

NOAA sei "einer der Haupttreiber der Klimawandel-Alarmindustrie und ist schädlich für den zukünftigen Wohlstand der USA. (...) Sie sollte aufgelöst und verkleinert werden", heißt es dort. "Es scheint, als wollten sie die Klimageschichte auslöschen und eine andere Geschichte erschaffen", sagt Nobelpreisträger Michael Oppenheimer.

Die Wissenschaftler sind sich einig: Ihre Forschung lebe von Kritik und sei weltweit miteinander verflochten. Wie ein Kartenhaus. Es bleibe die Frage, wie lange dieses Haus Trumps Angriffe überleben könne.

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