Debatte um US-Abtreibungsrecht Oklahoma unterzeichnet "Herzschlag-Gesetz"
In den USA könnte das liberale Abtreibungsrecht vor dem Ende stehen - darauf deutet ein geleaktes Dokument des Obersten Gerichts hin. Während Abtreibungsgegner und -befürworter demonstrieren, schafft das konservativ regierte Oklahoma Fakten.
Vor dem Hintergrund der hitzigen Debatte über das Recht auf Abtreibung in den USA hat der Gouverneur von Oklahoma, Kevin Stitt, ein Gesetz zur drastischen Verschärfung der Regelungen in dem Bundesstaat unterzeichnet. Stitt erklärte auf Twitter, die vier Millionen Menschen in seinem Bundesstaat seien mit großer Mehrheit für den Schutz des ungeborenen Lebens.
Das "Herzschlag-Gesetz" Oklahomas ähnelt einer hoch umstrittenen Regelung aus dem Bundesstaat Texas. Es verbietet Schwangerschaftsabbrüche, sobald ein Arzt bei einem Embryo oder Fötus den Herzschlag feststellen kann. Das kann bereits nach rund sechs Wochen sein, wenn manche Frauen noch nicht wissen, dass sie schwanger sind.
Das Gesetz erlaubt auch Zivilklagen gegen Personen, die Abtreibungen vornehmen oder Frauen dabei wissentlich unterstützen.
Liberale empört über Dokument des Obersten Gerichts
Am Montagabend hatte das Magazin "Politico" den Entwurf einer Urteilsbegründung des Obersten US-Gerichts veröffentlicht, wonach das liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt werden soll. Das Dokument löste in der Regierung des demokratischen US-Präsidenten Joe Biden und in liberalen Teilen der Bevölkerung heftige Empörung aus.
Der Supreme Court betonte, dass es sich dabei nicht um eine finale Entscheidung handele. Mit einer endgültigen Entscheidung wird in den nächsten zwei Monaten gerechnet.
Gerichtspräsident John Roberts kündigte zugleich Ermittlungen dazu an, wer den Urteilsentwurf an die Presse weitergab. Der konservative Verfassungsrichter verurteilte einen "einmaligen und ungeheuerlichen Vertrauensbruch".
Abtreibungsrecht als Wahlkampfthema
Konservative Politiker versuchen seit Langem, das als "Roe v. Wade" bekannte Grundsatzurteil von 1973 zu kippen. Auf Grundlage des "Roe v. Wade"-Urteil sind Abtreibungen in den USA aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt - heute etwa bis zur 24. Woche.
Bidens Demokraten schrieben in einer Mail an Unterstützer, bei den Kongresswahlen im November gehe es auch um das Abtreibungsrecht. Die Partei warb um Spenden. "Wir werden mit allem, was wir haben, zurückschlagen, um sicherzustellen, dass die Republikaner für die unerbittlichen Angriffe ihrer Partei geradestehen müssen, aber wir können das nicht ohne Sie tun", hieß es in dem Schreiben. Umfragen zufolge könnte die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat gefährdet sein.
Eine Demonstrantin hält einen Kleiderbügel hoch mit der Aufschrift "Nie wieder", während sich Pro-Choice-Demonstranten vor dem Bundesgebäude in San Francisco versammeln.
Landesweite Proteste
Tausende Menschen gingen in den USA auf die Straße. Große Demonstration von Abtreibungsgegnern und -befürwortern gab es in Städten wie Washington, New York, Boston, Los Angeles und Seattle.
In New York erklärte die Generalstaatsanwältin, die Demokratin Letitia James, vor einer Menschenmenge in Manhattan: "Es ist nicht die Zeit, zu schweigen". Die Verteidigung des Rechts auf Abtreibung sei "einer der größten Kämpfe, den es zu führen gilt". "Wir werden nicht in die Zeit zurückgehen, in der wir Kleiderbügel benutzten", sagte James mit Verweis auf improvisierte, lebensgefährliche Abtreibungsmethoden. Das Recht auf Kontrolle über den eigenen Körper sei ein "Grundrecht".
Bei einem Protest gegen eine mögliche Aufhebung des Abtreibungsrechts in Los Angeles ist ein Beamter in der Innenstadt verletzt worden. An der Aktion hatten sich etwa 250 Menschen beteiligt. Die Menschen zogen nach Polizeiangaben zunächst friedlich durch die Straßen. Einige Demonstranten hätten dann Steine und Flaschen auf Beamte geworfen, sagte Polizeichef Michel Moore.
Biden appellierte an den Supreme Court, "Roe v. Wade" nicht aufzuheben. "Ich glaube, dass Frauen ein Grundrecht auf Abtreibungen haben", erklärte der Präsident. Er warnte zudem, bei einem Aus für "Roe v. Wade" wären auch zahlreiche andere Themen wie die gleichgeschlechtliche Ehe und die Frage, "wie man sein Kind erzieht", in Gefahr.
Vertrauen in das Oberste Gericht beschädigt
In einem sind sich Politiker von Demokraten und Republikanern selten einig: Die Veröffentlichung des Dokuments des Obersten Gerichts selbst ist ein Tabubruch und dürfte das ohnehin geringe Vertrauen der Amerikaner in ihr Oberstes Gericht weiter erschüttern.