Waffenruhe in Nahost Wie der Geiseldeal aussehen könnte
Eine Einigung über eine Waffenruhe und einen Geiseldeal in Nahost scheint so nah wie lange nicht. Wie ist der Stand der Verhandlungen und woran könnte alles noch scheitern?
Er hoffe, dass er bald gute Nachrichten übermitteln könne, sagte heute ein israelischer Regierungsvertreter. Nur einer von mehreren Hinweisen darauf, dass nach monatelangem Stillstand eine Einigung über eine Waffenruhe in Nahost näher rückt. Die Hamas soll dem vorliegenden Entwurf für eine Einigung sogar bereits zugestimmt haben.
Wie sieht der Entwurf aus?
Nach israelischen Angaben sollen in einer ersten Phase zunächst 33 Geiseln freikommen. Dabei handele es sich um Frauen, Kinder, Menschen über 50 sowie verletzte und kranke Geiseln. Man gehe davon aus, dass die meisten davon am Leben seien. Im Gegenzug sollen 1.000 palästinensische Häftlinge freikommen. Mörder dürften allerdings nicht ins Westjordanland zurückkehren. Erst wenn die Hamas mitteile, wie viele von den Geiseln am Leben seien, werde die genaue Zahl der freizulassenden Häftlinge klar werden, teilte ein israelischer Regierungssprecher mit. Nach israelischen Angaben sollen sich noch 98 Geiseln in der Gewalt der Hamas befinden.
Die Waffenruhe soll den Angaben nach zunächst auf etwa 42 Tage beschränkt sein. Verhandlungen über die zweite Phase sollten dann am 16. Tag der Waffenruhe beginnen. Ziel sei die Freilassung einer weiteren Gruppe von jungen Männern und Soldaten im nächsten Schritt.
In einer dritten Phase eines möglichen Abkommens soll schließlich der Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Gazastreifens und eine alternative Regierung ohne Beteiligung der Hamas geregelt sein.
Wo gibt es noch Streit?
Die Frage der künftigen Verwaltung Gazas bleibt einer der größten Streitfragen. Aufgrund seiner Komplexität wurde das Thema in der aktuellen Gesprächsrunde ausgeklammert. Israel schließt jegliche Beteiligung der Hamas kategorisch aus und lehnt auch eine Einbindung der Palästinenser-Regierung aus dem Westjordanland ab. Die internationale Gemeinschaft fordert eine palästinensische Verwaltung.
Wo liegen weitere Knackpunkte?
Der innenpolitische Druck auf Premier Benjamin Netanjahu ist nach wie groß. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir drohte damit, im Falle eines Geisel-Abkommens mit der Hamas aus der Regierung auszuscheiden. Er rief in einem Post auf der Plattform X den ebenfalls rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich auf, sich ihm anzuschließen im Kampf "gegen den entstehenden schrecklichen Deal".
Man müsse Netanjahu entschlossen gemeinsam sagen, "dass wir zusammen aus der Regierung ausscheiden, wenn der Deal geschlossen wird", forderte Ben-Gvir.
Welche Rollen spielen die USA?
Es dürfte kein Zufall sein, dass unmittelbar vor der Amtsübernahme von Donald Trump in den USA Bewegung in die seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen gekommen ist. Das Wall Street Journal zitiert einen israelischen Beamten mit den Worten, der Trump-Effekt zeige Wirkung. Trump hatte der Hamas massiv gedroht und gesagt, im Nahen Osten werde "die Hölle losbrechen", wenn die Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar frei seien.
Aber auch der scheidende Präsident Joe Biden hofft offenbar, noch in seiner Amtszeit ein Abkommen zustande zu bringen und hatte zuletzt seine Bemühungen verstärkt: Biden sprach am Sonntag mit Netanjahu und am Montag mit der Führung in Katar.
Aus Sicht mehrerer Experten wäre es Netanjahu aber wohl lieber, wenn ein Abkommen erst unter der Präsidentschaft Trumps zustande käme. Dies würde dagegen sprechen, dass eine Einigung schon diese Woche erzielt wird. "Ich kann keine nennenswerten Fortschritte absehen, bevor Präsident Trump sein Amt antritt", sagte Kobi Michael von der Denkfabrik Misgav Institute.
Das Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu gilt als stark angespannt. Biden hatte wiederholt die israelische Kriegsführung gegen die Hamas im Gazastreifen kritisiert. Ein deutlich freundlicheres Verhältnis unterhält Netanjahu dagegen zu Trump. Die Hamas rief ihrerseits Trump dazu auf, den Druck auf Netanjahu zu erhöhen.
Quellen: AFP, Reuters, dpa