Gedenktag in Israel Sirenengeheul kann die Wut nicht überdecken
Das Gedenken an gefallene Soldaten und Opfer des Terrors soll Israel vereinen. Doch auch am Nationalfeiertag Yom HaZikaron wurden Spannungen deutlich. Die Wut richtete sich gegen die Regierung.
Punkt 11 Uhr heulten überall in Israel die Sirenen. Für zwei Minuten stand das Leben still, auch in Tel Aviv stiegen die Menschen aus den Autos und Fußgänger senkten den Kopf, um an gefallene Soldaten und an die Opfer von Terroranschlägen zu erinnern.
An diesem Yom HaZikaron, Israels Memorial Day, drehten sich die Gedanken vor allem um den Krieg in Gaza und dessen Opfer, sagte Michael, der von seinem Motorrad abgestiegen war: "Es ist sehr traurig für unsere Brüder und Schwestern, die am 7. Oktober gestorben sind."
Alle Menschen in Israel würden noch an Frieden glauben. "Wir hoffen, die andere Seite bekommt ihn auch. Ich hoffe, dass wir eines Tages in Frieden zusammenleben", sagte Michael.
Buhrufe für Minister Gvir in Ashdod
Von Versöhnung war andernorts wenig zu spüren. Familienmitglieder von Opfern des 7. Oktober protestierten vor Friedhöfen. Auf einem sollte der rechtsgerichtete Politiker und Finanzminister Bezalel Smotrich eine Rede halten und erntete Proteste.
In der Stadt Aschdod stellte sich der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, Ben Gvir, vor das Mikrofon und wurde ausgebuht. Die Regierung lasse die Geiseln in Gaza sterben, riefen einige Demonstranten. Andere prangerten an, dass kaum ein Politiker bisher Verantwortung für das Versagen am 7. Oktober übernommen hat.
Armeechef Halevi verspricht Aufklärung
Eyal Eshel ist der Vater der Soldatin Roni Eshel, die am 7. Oktober in der Militärbasis Nahal Oz vor der Hamas warnte und getötet wurde. Er brachte das Gefühl vieler Familien am heutigen Tag auf den Punkt: "Lasst diesen Menschen den besonderen Moment, sich von ihren Liebsten zu verabschieden, ohne dass jemand eine Rede hält. Welchem Politiker soll ich die Hand schütteln? Roni ist wegen dieser Führung im Kampf gefallen."
Der Appell schien wenig zu nützen. Auf einer Gedenkzeremonie an der Klagemauer in Jerusalem wandte sich Israels Generalstabschef Herzi Halevi in einer Rede an die trauernden Familien und gestand ein: "Als Kommandant der israelischen Armee während des Krieges trage ich die Verantwortung für das Versagen der Armee, die unsere Zivilisten am 7. Oktober beschützen sollte."
Er sei der Kommandant, der die Söhne und Töchter der anwesenden Familien in die Schlacht geschickt habe, von der sie nie zurückgekommen seien. "Ich muss Antworten liefern, für die schwierigen Fragen, die Sie quälen", sagte Generalstabschef Halevi.
Premier Netanyahu: "Wir werden siegen"
Auch Israels Premier Benjamin Netanyahu hatte eine Rede vorbereitet, die er auf dem Herzlberg und dem Nationalfriedhof in Jerusalem hielt. Von Eingeständnissen war allerdings nicht die Rede. "Heute befindet sich das Schwert Davids in unserer Hand und wir wehren uns gegen unsere Feinde", sagte der Regierungschef. "Unser Unabhängigkeitskrieg ist noch nicht beendet, er geht in diesen Tagen weiter. Wir werden siegen."
Währenddessen gingen die Kämpfe in Gaza weiter. Im Norden gelang es der Hamas, sich erneut zu formieren und mit Raketen auf Israel zu schießen. Im Süden rückte die israelische Armee weiter auf die Stadt Rafah vor.