Krieg im Nahen Osten Verhandlungen über erneute Feuerpause stocken
Israel will seine Delegation von den Verhandlungen über einen erneuten Waffenstillstand abziehen. Unterdessen gehen die Kämpfe im Gazastreifen weiter. Hilfswerke zeigen sich über die Lage der Zivilisten entsetzt.
Die Verhandlungen über eine erneute Feuerpause im Nahostkrieg in Katar stecken nach Angaben Israels in einer Sackgasse. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, habe deshalb sein Verhandlungsteam dazu aufgefordert, nach Israel zurückzukehren, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit. Israels Regierungschef habe die Anweisung erteilt. "Die Terrororganisation Hamas hat sich nicht an ihren Teil der Vereinbarung gehalten", hieß es in der Erklärung weiter.
Konkret geht es demnach um die Freilassung aller in den Gazastreifen entführten Kinder und Frauen. Israel vermutet, dass sich noch 20 Frauen und zwei Kinder in der Gewalt palästinensischer Terroristen im Gazastreifen befinden. Dabei zählt die israelische Regierung auch eine Frau und ihre beiden kleinen Söhne mit, die die militant-islamistische Hamas vor wenigen Tagen als getötet angegeben hatte. Nach Angaben eines Militärsprechers ist ihr Tod jedoch nicht bestätigt.
Die Hamas will nach eigenen Angaben Verhandlungen über die Freilassung weiterer Geiseln erst nach einem Waffenstillstand fortsetzen. Saleh al-Aruri, ein Hamas-Anführer, sagte, unter den verbliebenen Geiseln seien nur Männer, die in der Armee gedient hätten und Soldaten.
Die von Israel und der Hamas unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA vergangene Woche ausgehandelte Feuerpause war am Freitag ausgelaufen. In der Zeit ließ die Hamas 105 Geiseln frei, darunter 14 Deutsche, und Israel im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge.
Macron warnt vor "Krieg ohne Ende"
Die von Israel nach dem Ende des Waffenstillstands erneut zum Ziel erklärte Zerstörung der Hamas könnte nach Ansicht des französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen jahrelangen Krieg im Nahen Osten bedeuten. Die "totale Zerstörung der Hamas" würde mindestens "zehn Jahre" Krieg erfordern, sagte Macron am Rande der UN-Klimakonferenz in Dubai.
Israel müsse deshalb sein Ziel "präzisieren". "Die totale Zerstörung der Hamas - denkt jemand, dass das möglich ist?", fragte Macron vor Journalisten. "Wenn das das Ziel ist, dann dauert der Krieg zehn Jahre." Es gebe sogar die Gefahr eines "Kriegs ohne Ende", warnte der französische Präsident.
Gesamter Gazastreifen unter Beschuss
Das israelische Militär hatte in der Nacht weitere Ziele der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen angegriffen - offenbar auch verstärkt im südlichen Teil des Gebiets. Die Kämpfe konzentrierten sich auf die Gegend um Chan Yunis. In der Stadt sollen sich Teile der Hamas-Führung aufhalten. Nach Angaben der Armee soll auf Gebiete gezielt worden sein, die mit Sprengstofffallen versehen waren, sowie auf Schächte von Tunneln, Abschussrampen und Kommandozentralen der Hamas - sowohl im Süden als auch im Norden Gazas.
Wie die Zeitung "The Times of Israel" unter Berufung auf Bewohner des abgeriegelten Gazastreifens berichtete, warf das israelische Militär in Chan Yunis Flugblätter ab, in denen die Bewohner aufgefordert wurden, nach Rafah im Süden zu fliehen. Das der Hamas unterstehende Gesundheitsministerium im Gazastreifen sprach von fast 200 Toten seit der Wiederaufnahme der Kämpfe am Freitagmorgen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Zuvor hatte die Hamas hatte nach Ende der einwöchigen Kampfpause eigenen Angaben zufolge erstmals wieder Raketen auf das Zentrum Israels abgefeuert. Seit dem Beginn des Kriegs wurden israelischen Angaben zufolge rund 10.000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen. Auch im Norden war Israel vom Libanon aus erneut unter Beschuss geraten.
Die Direktorin der Hilfsorganisation Care, Tibi, zur Lage der Zivilisten im Gazastreifen: "Sie wissen nicht, wohin sie gehen sollen."
Hilfsorganisationen sind entsetzt
Israels Bombardements im Süden des Gazastreifens hat unter Hilfsorganisationen für Entsetzen und Empörung gesorgt. Hiba Tibi, Direktorin der Hilfsorganisation Care, sagte CNN zur Lage der Zivilisten: "Sie wissen nicht, wohin sie gehen sollen". Es gebe keine ausreichenden Orte, um die Menschen aufzunehmen. "Hunderte und Hunderte von Explosionen. An einem Ort, der so dicht mit Zivilisten bevölkert ist, muss alles etwas treffen ... jemanden", schrieb der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, James Elder am Samstag auf X.
50 Lkw mit Hilfsgütern erreichen Gaza
Unterdessen gelangten nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds am Samstag wieder 50 Lastwagen mit Hilfsgütern nach Gaza. Die Lkw seien mit Lebensmitteln, Wasser, medizinischen Hilfsgütern und Medikamenten beladen gewesen. Nach Ende der Feuerpause und mit der Fortsetzung der Kämpfe am Freitagmorgen waren die Hilfslieferungen noch zum Erliegen gekommen.
Care-Direktorin Tibi forderte: "Wir müssen die Zivilbevölkerung und die lebenswichtige Infrastruktur, auf die sie angewiesen ist, schützen". Die im Gazastreifen verbleibenden Geiseln der islamistischen Hamas müssten sofort und bedingungslos freigelassen werden. "Wir brauchen einen humanitären Waffenstillstand", erklärte Tibi. "Die Kämpfe müssen aufhören."