Nahostreise von Außenministerin Baerbock Deutliche Worte, aber keine Ergebnisse
Annalena Baerbock informiert sich an vorderer Front über die Konflikte im Nahen Osten. Mit teils scharfen Formulierungen kritisiert die Ministerin die humanitäre Lage in Gaza. Doch ihre Appelle bringen keine Ergebnisse.
Dass sie Angst habe, sich in vorderster Front über die Konflikte der Welt zu informieren, das kann man Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wahrlich nicht vorwerfen. Schusssichere Westen und Gefechtshelme waren am Dienstag an Bord des Bundeswehr-Transportflugzeugs A400M, als sich Baerbock Richtung Rafah begab, den Grenzübergang von Ägypten zum Gazastreifen. Oder im Westjordanland, wo sie unter dem bedrohlichen Surren von Drohnen israelischer Siedler ein palästinensisches Dorf besucht, in dem die Bewohner von Gewalt durch eben jene Siedler bedroht sind.
Baerbocks viertägige Reise in den Nahen Osten ist alles andere als einseitig. Sie trifft sich mit Angehörigen verschleppter israelischer Geiseln genauso wie mit leidenden Palästinensern, mit evakuierten Israelis aus dem Grenzgebiet zum Libanon genauso wie mit Ärzten und Notfallhelfern im ägyptischen Grenzgebiet. Die Tage sind lang, die Wege weit - sie will ein umfassendes Bild der Lage und das dürfte sie auch bekommen haben.
Baerbock nimmt Perspektive von betroffenen Frauen und Kindern ein
Baerbock ist interessiert, zugewandt, gut informiert und neugierig. In ihren Formulierungen nimmt sie immer die Perspektive der Menschen der Region ein, vor allem die Perspektive von betroffenen Frauen und Kindern im Krieg. Sie berichtet von ihren Gesprächen mit den normalen Menschen, die sie getroffen hat. Und hebt diese Schicksale dann auf eine politische Ebene. Für die drängendsten Probleme scheut Baerbock auch keine deutlichen Formulierungen: Ein "medizinisches Desaster" geschehe derzeit in Gaza. Oder:
Das Leben in Gaza ist die Hölle.
Unerschrocken spricht sie aus, dass sich die humanitäre Situation im Gazastreifen verbessern müsse.
Und sie bringt das mit, was Deutschland gerne beiträgt in den Krisen dieser Welt: Geld. Die friedenssichernde UNIFIL-Mission im Südlibanon und die libanesische Armee will sie finanziell stärker ausstatten, die Mittel für Hilfsgüter für Gaza habe die Bundesregierung fast verdreifacht.
Viele Journalisten und Journalistinnen begleiten Baerbock
Für Politikerinnen und Politiker geht es immer auch um mediale Präsenz. Dass sie bei ihren Terminen mehr als 20 Journalisten und Journalistinnen und Kameras dabei hat, ist sicherlich kein Zufall. Besonders sorgsam für die Medien vorbereitet ist der Termin am Flughafen von Al-Arish, auf dem das Bundeswehr-Transportflugzeug mit Baerbocks Delegation und deutschen Hilfsgütern für den Gazastreifen gelandet ist. Erst steigt die Delegation aus, dann schlendert Baerbock mit einem Bundeswehroffizier über die Laderampe, sodass die Kameras deutscher und lokaler Medien es in Ruhe filmen können. Bilder, die eine Politikerin im Medienzeitalter dringend braucht.
Doch noch immer sind etwa 100 israelische Geiseln verschleppt, noch immer sterben bei israelischen Bombardements im Gazastreifen Zivilisten, noch immer fehlen massenweise Hilfsgüter für die Bevölkerung in Gaza. Was hat Baerbocks Reise hier verbessert?
Die Bilanz ist dünn. Denn von den Gesprächen Baerbocks mit Ministern der Region dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit. Eine öffentliche Pressekonferenz mit Baerbock gibt am Ende nur der ägyptische Außenminister Samih Schukri. Dessen Aussagen bleiben sehr allgemein. Die deutsche Außenministerin betont die Gemeinsamkeiten zwischen Ägypten und Deutschland so stark, dass der Eindruck entsteht, es habe hinter den Kulissen keinerlei Fortschritte gegeben. In Israel traf Baerbock die Minister für Außen und Verteidigung - ohne anschließende Pressekonferenzen. Viele offizielle Gespräche dauerten auch maximal eine Stunde - wie will man in so begrenzter Zeit substanzielle Fortschritte erzielen?
Viele Gespräche, Ergebnisse lassen auf sich warten
Zugegeben, es ist eine äußerst schwierige Gratwanderung: Den israelischen Ministern muss sie deutlich machen, dass Israel seine Kriegsführung in Gaza ändern müsse, ohne Israels Regierung damit vor den Kopf zu stoßen. In Ägypten muss sie ihrem Amtskollegen erklären, warum Deutschland so unumstößlich an der Seite Israels stehe. Und im Libanon stehen zwar Regierungsgespräche auf dem Programm - die Entscheidung über Krieg und Frieden an der Grenze zu Israel treffen aber die radikalislamische Hisbollah und deren Unterstützer im Iran.
Außer Worten hat die deutsche Chefdiplomatin kaum Druckmittel. Baerbock verfolgt dennoch das Konzept: Viel hilft viel. Es reicht ihrer Ansicht nach nicht, wenn sich nur die USA, Israels engster Verbündeter, deeskalierend engagieren. Deutschland, das in Israel nach wie vor einen guten Ruf hat, ist hier eine wichtige Größe. Das spricht für Baerbocks Ansatz, trotz auswegloser Lage nichts unversucht zu lassen, eine Eskalation der Konflikte zu verhindern - und vielleicht in kleinen Schritten zu einer neuen humanitären Feuerpause in Gaza zu kommen.
Ergebnisse lassen allerdings bislang auf sich warten.