Libanons Übergangsministerpräsident Hassan Diab spricht auf einer Konferenz in Beirut

Hilferuf aus dem Libanon "Leiden hat Grenzen der Tragödie erreicht"

Stand: 06.07.2021 13:46 Uhr

Libanons Übergangsregierungschef Diab hat eindringlich an die internationale Gemeinschaft appelliert: Seit Jahren liegt die Wirtschaft im Land brach - nun drohe eine soziale Explosion. Israel kündigte bereits humanitäre Hilfe an.

Mit einem eindringlichen Hilferuf hat sich der libanesische Übergangsregierungschef Hassan Diab an die internationale Gemeinschaft gewandt. Er rief dazu auf, das Land in der schweren Wirtschaftskrise vor dem Abgrund zu retten. "Der Libanon ist nur wenige Tage von einer sozialen Explosion entfernt", warnte Diab in einer Rede vor Diplomaten, wie die staatliche Agentur NNA meldete.

Das Land gehe durch "einen sehr dunklen Tunnel", das Leiden der Menschen habe "die Grenzen der Tragödie" erreicht. "Ich rufe die Welt auf, den Libanon zu retten", sagte Diab. "Ich rufe dazu auf, das libanesische Volk nicht für die Vergehen der Korrupten bezahlen zu lassen."

Wirtschaftskrise und Korruptionsvorwürfe

Libanons politische Elite sieht sich seit langem massiven Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Diab und sein Kabinett waren nach der Explosionskatastrophe im Hafen der Hauptstadt Beirut Anfang August zurückgetreten. Sie sind nur noch geschäftsführend im Amt. Die führenden politische Blöcke können sich seit Monaten nicht auf ein neues Kabinett einigen.

Das Land am Mittelmeer erlebt zudem seit fast zwei Jahren eine der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrisen seiner Geschichte: Die Landeswährung, die libanesische Lira, hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung lebt mittlerweile in Armut. Die Inflation liegt bei mehr als 100 Prozent, für Lebensmittel sogar bei mehr als 200 Prozent. Wegen eines Versorgungsmangels bilden sich vor Tankstellen lange Schlangen. In Apotheken fehlt es an Medikamenten. Täglich müssen die Menschen über Stunden ohne Strom auskommen.

Versuche der Hisbollah, verstärkt iranische Investitionen in den Libanon zu erreichen, verschärfen die Lage im Land zusätzlich.

Israel verspricht humanitäre Hilfe

Israels Verteidigungsminister Benny Gantz zeigte sich unterdessen bereit, dem Nachbarland humanitäre Hilfe zu schicken. Sein Herz schmerze, wenn er Bilder von hungrigen Menschen in den Straßen des Libanons sehe, schrieb Gantz auf Twitter. Die beiden Länder befinden sich offiziell im Kriegszustand. An der Grenze kommt es immer wieder zu Spannungen. Vor allem die eng mit dem Iran verbündete libanesische Schiitenmiliz Hisbollah sieht in Israel einen Erzfeind. Gantz ermutigte auch andere Länder zu helfen.

Doch Deutschland, andere westliche Staaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) wollen dem Libanon erst dann helfen, wenn die Regierung weitreichende Reformen beschließt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. Juli 2021 um 14:45 Uhr.