Politische Krise in Südkorea "Es gibt einen totalen Mangel an Vertrauen"
Während das Verfassungsgericht die Amtsenthebung des suspendierten Präsidenten Yoon überprüft, hat das südkoreanische Parlament nun auch Interimspräsident Han von seinen Aufgaben entbunden. Ein Ende des Chaos ist nicht in Sicht.
Innerhalb von weniger als zwei Wochen hat Südkorea zum zweiten Mal sein Staatsoberhaupt ausgewechselt. Die Tumulte in der Nationalversammlung in Seoul während der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren gegen Han Duck Soo sagen schon fast alles über die derzeitige politische Situation in Südkorea aus. Chaos pur.
192 von 300 Abgeordnete sind am Ende dafür, dass keine zwei Wochen nach der Amtsenthebung des inzwischen suspendierten Staatspräsidenten Yoon Suk Yeol nun auch das nächste Staatsoberhaupt die Amtsgeschäfte ruhen lassen muss.
Die Opposition beantragte die Abstimmung, weil Han sich geweigert hatte, drei freie Richterposten für das Verfassungsgericht umgehend nachzubesetzen.
Vor genau diesem Verfassungsgericht läuft seit heute auch das Amtsenthebungsverfahren gegen den suspendierten Staatspräsidenten Yoon. Nach nur rund einer Stunde wurde die Verhandlung auf Anfang Januar vertagt.
"Wünschen uns, dass Unsicherheit nicht noch größer wird"
Finanzminister Choi Sang Mok übernimmt nun die Staatsgeschäfte. Der hatte vor der Parlamentssitzung noch gehofft, dass es dazu nicht kommen würde und Han im Amt bleiben könne.
"Wir wünschen uns aufrichtig, dass die politische Unsicherheit, die unsere Wirtschaft und nationale Sicherheit bedroht, nicht noch größer wird", sagte Choi. "Wir fordern erneut die Zusammenarbeit von Regierungs- und Oppositionsparteien, damit sich die Regierung ausschließlich auf die Wirtschaft und das Gemeinwohl konzentrieren kann."
Regierungspartei will gegen Amtsenthebung vorgehen
Danach sieht es nicht aus. Die Regierungspartei hat bereits angekündigt, per einstweiliger Verfügung gegen das Amtsenthebungsverfahren gegen Han vorzugehen.
Die Begründung: Eigentlich braucht es laut südkoreanischer Verfassung eine Zweidrittelmehrheit, um einen amtierenden Präsidenten seines Amtes zu entheben.
Da Han aber nur Ministerpräsident ist und nur kommissarisch die Amtsgeschäfte des Staatspräsidenten übernimmt, reichte laut Opposition und Parlamentssprecher auch eine einfache Mehrheit - und die gab es bei der Abstimmung.
Opposition spricht von Verrat
Warum die Opposition überhaupt ein Amtsenthebungsverfahren gegen Han eingeleitet hat, erklärte Oppositionsführer Lee im Vorfeld so: "Der 'amtierende Präsident' hat sich in eine 'amtierende Behörde des Verrats' verwandelt. Die Regierungspartei, die mit Yoon den Anführer des Verrats hervorgebracht hat, hat ihre Verantwortung für die Wahrung der Verfassung aufgegeben und sich stattdessen als loyale Wache für den Anführer der Rebellion positioniert."
"Politische Kultur der Konfrontation"
Versöhnlich klingt anders. Die Opposition wird vermutlich so lange keine Ruhe geben, bis alle, die irgendwie mit der zwischenzeitlichen Ausrufung des Kriegsrechts zu tun hatten, abgesetzt sind, glaubt Politikwissenschaftler Peng Er Lam: "Sie reden nicht wirklich miteinander. Es gibt einen totalen Mangel an Vertrauen. Und das Problem, mit dem die südkoreanische Politik schon vor Yoon zu kämpfen hatte, das aber durch die Regierung Yoon noch verschärft wurde, ist die politische Kultur der Konfrontation und der Vendetta der Eliten."
Es sei offensichtlich, dass sie nicht viel Raum für Kompromisse lassen. "Sie behandeln sich gegenseitig als Feinde der Republik."
Nächste Anhörung Anfang Januar
Südkorea kommt einfach nicht zur Ruhe. Immerhin hat das Verfassungsgericht angekündigt, die Entscheidung über die politische Zukunft des suspendierten Staatspräsidenten Yoon zeitnah zu treffen.
Schon am 3. Januar findet die nächste Anhörung statt. Bis dahin bleibt es in Südkorea chaotisch.