Geflüchtete aus Syrien Rückkehr in Assads Bürgerkriegsland
Die Zeit, da Geflüchtete aus Syrien verständnisvoll empfangen werden, ist längst vorbei. Das gilt für das Nachbarland Libanon wie für die EU. Der Libanon setzt auf die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat. Was blüht ihnen dort?
Anfang Juni gab es einen Angriff auf die US-amerikanische Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Die Botschaft sei "von einer Person mit syrischer Staatsangehörigkeit beschossen worden", erklärte die libanesische Armee auf der Online-Plattform X. Der Vorfall gießt Öl ins Feuer. Denn schon seit Jahren wächst die Spannung zwischen Libanesen und syrischen Geflüchteten.
Mit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 hat der Libanon 1,5 Millionen Menschen aus Syrien aufgenommen - in Relation zur Größe der Bevölkerung die weltweit höchste Anzahl. Die anfängliche Hilfsbereitschaft ist größtenteils verflogen, ebenso wie die Hoffnung, dass sich die Situation im Nachbarland Syrien schnell verbessern würde. Nach mehr als zehn Jahren Flucht und Exil sind die finanziellen Ressourcen der Syrerinnen und Syrer längst aufgebraucht.
Gleichzeitig steckt der Libanon in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, steht selbst kurz vor dem Zerfall. Die syrischen Geflüchteten dienen Politikern im Land als Sündenböcke, werden beschuldigt, Ursache vieler Probleme im Libanon zu sein - für Unruhen, Terroranschläge, steigende Kriminalität.
Die Anfeindungen sind in den vergangenen zwei Monaten so massiv geworden, dass sich viele Syrerinnen und Syrer entscheiden, in ihr Heimatland zurückzukehren, ein Weg beinahe ebenso gefährlich und kostspielig, wie es die Flucht vor dem Krieg gewesen ist.
Der Großteil Syriens ist unter Kontrolle der Regierung in Damaskus und ihrer Unterstützer. Doch etliche Gebiete des Landes werden von anderen Akteuren kontrolliert. Die Golanhöhen sind von Israel annektiert.
Immer noch droht Gefahr in Syrien
Seit kurzem organisieren libanesische Sicherheitsbehörden regelmäßig Rückkehr-Konvois nach Syrien. Geflüchtete können sich registrieren lassen, Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sollen den Prozess überwachen. Eine "freiwillige Rückkehr" nennen das die Behörden. Doch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch berichten auch von willkürlichen Festnahmen, Folter und Rückkehr unter Zwang.
Hinzu kommt: Noch immer droht Gefahr im Bürgerkriegsland Syrien. "Es gibt Berichte, dass Leute direkt an der Grenze verhaftet und in syrische Gefängnisse verschleppt wurden", sagt Christiane Fröhlich vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) mit Sitz in Hamburg.
Der Transit soll unterbunden werden
Drangsalierungen und Zwangsabschiebungen - und das in einem Land, das der EU als Partner in der Bewältigung der Flüchtlingskrise helfen soll. Denn der Libanon ist Transitland.
Viele Syrerinnen und Syrer reisen von dort weiter nach Zypern, in die EU. Die zyprische Regierung hatte die wachsende Zahl an syrischen Geflüchteten als nicht mehr tragbar kritisiert und die EU zum Handeln aufgefordert. Das Ergebnis: Eine Milliarde Euro versprochene Finanzhilfe für den Libanon, damit das Land im Gegenzug den Zustrom syrischer Geflüchteter nach Zypern stoppt.
Das sei eine Strategie, die nicht gelingen könne, so GIGA-Expertin Fröhlich. "Wir möchten gerne die Verantwortung für Menschen, die vielleicht nach Europa kommen wollen, abgeben an andere Länder. Aber damit geben wir ja auch jede Kontrolle aus der Hand."
Lage in Syrien wird neu bewertet
Zypern ist auch eines der acht EU-Länder, die fordern, dass die Sicherheitslage in Syrien neu bewertet wird. Nicht alle Regionen seien dort Kriegsregionen, es gebe auch sichere Gegenden, so Abgesandte aus Zypern, Malta, Italien, Österreich, Tschechien, Dänemark, Polen und Griechenland. Würde man Teile Syriens für "sicher" erklären, würden syrische Geflüchtete ihren Asylstatus verlieren und könnten abgeschoben werden.
Auch davon hält Nahost-Expertin Fröhlich nichts: "Der Krieg in Syrien geht weiter, auch wenn er derzeit in der Berichterstattung von anderen Kriegen und Krisen überlagert wird. Eine Abschiebung dorthin unterwandert den humanitären Flüchtlingsschutz, zu dem wir uns mit der Genfer Konvention verpflichtet haben."
Ein dreigeteiltes Land
Und wer nach Syrien abschiebt, müsste auch fragen, in welches Syrien? Seit einigen Jahren schon ist das Land dreigeteilt. Etwa 60 Prozent der Fläche hat Machthaber Bashar al-Assad unter seiner Kontrolle. Im Nordosten hat sich eine kurdische Selbstverwaltung etabliert. Im Nordwesten, in der Region um Aleppo und Idlib, hat sich der letzte verbliebene Rest der Aufständischen der Revolution von 2011 und Islamisten festgesetzt, zum Teil unterstützt von der Türkei.
Um Abschiebungen zu organisieren, müsste Deutschland oder die EU das Gespräch mit den jeweiligen Machthabern in den Gebieten suchen - mit der kurdischen Selbstverwaltung, mit den Aufständischen oder eben mit Assad, einem Machthaber, dem zahlreiche Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen werden, unter anderem der Einsatz von Giftgas gegen seine eigene Bevölkerung.
"Ich sehe momentan kein Szenario, wo Syrien in den gleichen Grenzen unter einer Regierung existiert. Der Krieg wird auf diesem Niveau noch lange weitergehen. Es wird immer wieder Proteste gegen die Regierungen geben, immer wieder militärische Eingriffe", schätzt Christiane Fröhlich die Perspektive ein.
Und so lange werden auch weiterhin Menschen aus Syrien fliehen, auch in den benachbarten Libanon, ein Land, in dem sie derzeit leider alles andere als willkommen sind. Genauso wie in weiten Teilen der EU.