Zwei Jahre nach Militärputsch Humanitäre Lage in Myanmar spitzt sich zu
Mehr als eine Million Flüchtlinge, zerstörte Infrastruktur und Todesurteile gegen Oppositionelle und Protestierende. Myanmar versinkt zunehmend in Chaos und Gewalt. Doch laut den UN zeigt sich die Militärführung zu keinem Dialog bereit.
Fast zwei Jahre nach dem Militärputsch spitzt sich die humanitäre Lage in Myanmar weiter zu. So gebe es dort mittlerweile mehr als 1,4 Millionen Binnenflüchtlinge, erklärte das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) in Genf. Die meisten davon seien nach dem Umsturz vom 1. Februar 2021 vertrieben worden. Hinzu kämen mehr als 49.400 Menschen, die in Nachbarländer geflüchtet seien.
OCHA beklagte insbesondere die Folgen bewaffneter Kämpfe für die Zivilbevölkerung sowie Zugangsbeschränkungen und Drohungen gegen Beschäftigte von Hilfsorganisationen. Zudem sei zivile Infrastruktur zerstört worden, darunter Zehntausende Häuser, Klöster, Kirchen und Schulen.
Todesurteile für sieben Studenten
Mit dem Putsch ist Myanmar in Chaos und Gewalt versunken. So geht die Militärjunta zunehmend brutal gegen Oppositionelle und Protestierende vor. Unter anderem verhängt sie in geheimen Verfahren Todesurteile vor Militärgerichten. Erst vor wenigen Tagen wurden sieben Studierende in der früheren Hauptstadt Yangon zum Tode verurteilt, die an Protesten gegen das Militärregime teilgenommen hatten.
Die Urteile seien am Mittwoch von einem Militärgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefällt worden, erklärte der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk - vollstreckt werden sollen sie nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "Altsean-Burma" kommenden Mittwoch. Die Gruppe forderte einen sofortigen Stopp. "Das muss sofort enden", hieß es auf Twitter.
Medienberichten zufolge waren die Studenten aus Yangon im April festgenommen worden. Sie wurden demnach beschuldigt, an einer Schießerei in einer Bank beteiligt gewesen zu sein. "Die Verhängung der Todesstrafe gegen die Studenten ist ein Racheakt des Militärs", erklärte die Studentenvereinigung der Dagon-Universität in Rangun.
Keine Bereitschaft für politischen Dialog
Die UN gehen außerdem Berichten über Todesurteile gegen mindestens vier weitere Personen nach. Türk warf der Junta vor, mit den Verfahren vor den Militärgerichten "gegen die grundlegenden Prinzipien eines fairen Prozesses" zu verstoßen. Die Anhörungen dauerten manchmal nur wenige Minuten und den Inhaftierten werde oft der Kontakt zu Anwälten oder ihren Familien untersagt.
Weiter kritisierte Türk, die Junta nutze die Todesurteile als "politisches Mittel, um die Opposition zu unterdrücken" und forderte die Aussetzung aller Hinrichtungen und die Rückkehr zu einem Moratorium für die Todesstrafe. Die Militärführung zeige jedoch weiterhin keine Bereitschaft, die Gewalt im Land zu beenden "und die Bedingungen für einen politischen Dialog zu schaffen".
Erste Hinrichtungen bereits im Juli
Seit Februar vergangenen Jahres wurden den Angaben nach mindestens 139 Menschen zum Tode verurteilt. Im Juli hatte Myanmars Militärregime erstmals seit Jahrzehnten wieder Todesurteile vollstrecken und vier Dissidenten hinrichten lassen. Unter ihnen der Demokratieaktivist Kyaw Min Yu und der ehemalige Abgeordnete Phyo Zeya Thaw. Die Junta hatte ihnen Terrorismus und Konspiration mit oppositionellen Milizen vorgeworfen. Die Hinrichtungen lösten weltweit Empörung aus.
Nach Angaben örtlicher Gruppen wurden bei Protesten und Auseinandersetzungen mit dem Militär bislang fast 2300 Menschen getötet. Tausende Regierungsgegner wurden festgenommen. Mehr als 11.000 von ihnen sind den Angaben zufolge weiterhin inhaftiert. Viele Gegnerinnen und Gegner des Regimes, vor allem junge Leute, sind in den bewaffneten Widerstand gegangen. Landesweit kämpfen sie als "Volksverteidigungskräfte" teils unabhängig, teils gemeinsam, teils mit lang etablierten Rebellenorganisationen gegen Truppen der Militärjunta.