"Columbus" startet ins All "Erst damit wird die ISS wirklich international"
Insgesamt elf Jahre haben die Mitarbeiter der EADS-Tochter Astrium an "Columbus" gebaut. Astrium-Chef Martin Menking erklärt im Gespräch mit tagesschau.de, warum "Columbus" mehr als eine Sternstunde für die europäische Raumfahrt ist - und wie es mit der Erkundung des Alls weitergeht.
Insgesamt elf Jahre haben die Mitarbeiter der EADS-Tochter Astrium an "Columbus" gebaut. Astrium-Chef Martin Menking erklärt im Gespräch mit tagesschau.de, warum "Columbus" mehr als eine Sternstunde für die europäische Raumfahrt ist - und wie es mit der Erkundung des Alls weitergeht.
tagesschau.de: Herr Menking, die Stimmen um den Start der "Columbus" ins All sind überwiegend euphorisch. Von einer Sternstunde für die europäische Raumfahrt war die Rede, "endlich Seniorpartner auf der ISS" hieß es an anderer Stelle. Wie sehen Sie das?
Martin Menking: Die "Columbus" ist noch mehr. Sie ist der europäische Beitrag zur ISS. Erst damit wird die ISS wirklich international, bisher ist sie ja eine russisch-amerikanische Unternehmung. Demnächst kommt übrigens noch ein japanisches Modul.
tagesschau.de: Sind Sie nervös vor dem Start?
Menking: Nervös nicht, aber sicher sehr freudig, dass es endlich losgeht.
tagesschau.de: Was war die besondere Herausforderung beim Bau des Moduls?
Menking: Es ist das aufwändigste und technisch hochwertigste Labor, das wir je in Europa gebaut haben. Astrium hatte den Hauptvertrag von der Esa, aber wir haben mit 41 Subunternehmen in zehn europäischen Staaten zusammengearbeitet. Das Resultat sind 75 Kubikmeter Forschungsraum im Orbit. Wenn alles in Betrieb ist, können wir bis zu zehn verschiedene Nutzlasten im Modul betreiben. Es werden bis zu drei Astronauten parallel an Experimenten arbeiten.
tagesschau.de: Sprechen wir mal über die Nutzlasten, die Sie erwähnten. Welche technologischen Finessen sind an Bord?
Menking: Das muss man sich so vorstellen: Da sind 2,20 Meter hohe Laborschränke, in denen etwa medizinische Messapparate eingebaut sind. Damit messen wir beispielsweise die Körperfunktionen der Astronauten in der Schwerelosigkeit. Außerdem gibt es ein Biolabor, in dem Pflanzenwachstum ohne Gravitation untersucht wird, einen Arbeitsplatz für Materialwissenschaften sowie eine Messstation, an der das Verhalten von Flüssigkeiten im All untersucht wird.
tagesschau.de: Und welches Experiment werden die Astronauten als erstes ausführen?
Menking: Da geht es um das Verhalten von Fluiden in der Schwerelosigkeit. Aus diesem Experiment erhoffen wir uns Rückschlüsse auf Vorgänge im Erdinneren.
tagesschau.de: Welche Pannen gab es beim Bau von "Columbus"?
Menking: Wir hatten ein Problem mit der Lebenserhaltung, mussten eine 180-Grad-Wende machen. Das gehört aber dazu, auch dass wir Geräte noch nachträglich entwickeln mussten. Wir sind mit dem festen Budget von 880 Millionen Euro trotzdem hingekommen.
tagesschau.de: Wenn der Start geglückt ist, welche kritischen Phasen muss das Projekt dann noch überstehen?
Menking: "Columbus" muss aus der Ladebucht des Shuttles und an die Andockstelle der ISS bugsiert werden. Aber ganz ehrlich – der kitzelige Moment für uns ist, wenn das Modul an alle Leitungen angeschlossen ist und erstmals wirklich Teil der ISS ist.
tagesschau.de: Dann sind Sie endlich am Ziel. Nach elf Jahren ...
Menking: ... eigentlich nach 25 Jahren - denn so weit reichen die Planungen für das Labor zurück. Allerdings ist das nicht das Ende, sondern ein Neuanfang, denn wir sind auch für den Betrieb des Labors zuständig, trainieren Astronauten für den Einsatz in "Columbus".
tagesschau.de: Der Crew-Transport ist bis 2010 gesichert. Dann werden die US-Shuttles stillgelegt. Wie geht es danach weiter mit der europäischen bemannten Raumfahrt? Verlassen Sie sich allein auf russischen Sojus-Systeme?
Menking: Die sind sehr bewährt und zuverlässig. Viele Astronauten fliegen ja bereits mit dem Shuttle zur ISS und dann mit einem Sojus-System zurück. Das ist eine gute Partnerschaft und auf die können wir auch bauen.
tagesschau.de: Was ist die nächste Etappe im All?
Menking: Aus industrieller Sicht interessieren uns zwei Punkte: Den Crew-Transport zur ISS und die weitere bemannte Erkundung des Alls. Beim Crew-Transport arbeiten die Europäer mit den Russen an der Weiterentwicklung der vorhandenen Technologie. Zum Thema Besiedlung des Mondes oder der weiteren Erkundung des Sonnensystems haben sich die einzelnen Weltraumagenturen vor drei Wochen in Berlin auf einer Konferenz positioniert: Es läuft auf eine Mischung von Roboter- und bemannten Missionen hinaus.
Die Fragen stellte Christian Radler, tagesschau.de