Corona-Wiederaufbau-Plan Kurz kündigt Gegenkonzept an
Die Initiative von Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Macron für einen Corona-Wiederaufbaufonds sorgt in der EU für Diskussionen. Vor allem vier Länder stellen sich quer - angeführt werden sie von Österreich.
In einigen EU-Staaten regt sich Widerstand gegen die deutsch-französische Initiative für ein 500-Milliarden-Euro-Programm zur wirtschaftlichen Erholung. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte einen Gegenentwurf mehrerer Länder an. Das Papier solle in den nächsten Tagen vorgelegt werden. "Wir glauben, dass es möglich ist, die europäische Wirtschaft anzukurbeln und dennoch eine Vergemeinschaftung der Schulden zu vermeiden", sagte Kurz den "Oberösterreichischen Nachrichten".
Österreich sei in Abstimmung mit den Niederlanden, Dänemark und Schweden - einer Gruppe von wirtschaftsstarken Ländern, "der wir uns zugehörig fühlen", sagte der konservative Politiker. Diese Länder hatten sich vor der Corona-Krise schon gegen den Vorschlag der EU-Kommission für den mehrjährigen Finanzrahmen gestellt. Sie pochen darauf, dass die EU nur rückzahlbare Kredite und keine Zuschüsse ausgibt.
Alle sollen haften
Nach dem Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sollen die 500 Milliarden Euro von der EU-Kommission als Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen und dann über den EU-Haushalt als Hilfen an Krisenstaaten verteilt werden.
Wenn die Länder gemeinsam haften, können sie zu günstigeren Konditionen Geld leihen, als das vielen Regierungen im Alleingang möglich wäre. Dieses könnte vor allem von der Pandemie stark betroffenen Staaten wie Italien und Spanien Luft verschaffen.
Dänemarks Finanzminister Nicolai Wammen sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ritzau, durch den deutsch-französischen Vorschlag habe sich die dänische Position nicht verändert. Seine Regierung warte nun ab, was die EU-Kommission in der Hinsicht voraussichtlich am 27. Mai präsentieren werde.
"Ein historischer Schritt"
Der Plan muss allerdings von allen 27 EU-Staaten einstimmig beschlossen und zusätzlich auch nationalen Parlamenten vorgelegt werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte bei einem gemeinsamen Auftritt mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire in Brüssel, das Vorhaben werde nun von den Wirtschafts- und Finanzministern diskutiert.
Le Maire unterstrich die historische Dimension der deutsch-französischen Initiative. Zum ersten Mal habe man sich darauf verständigt, gemeinsam Schulden in Europa aufzunehmen, um Investitionen zu finanzieren, sagte er. "Das ist ein historischer Schritt für Frankreich und Deutschland und das ist auch ein historischer Schritt für die gesamte EU". Die Corona-Krise vergrößere die wirtschaftlichen Kluften in der Gemeinschaft. Solidarität sei nun entscheidend.
Le Maire machte aber auch deutlich, dass er zähe Verhandlungen auf EU-Ebene erwarte. Er rechne mit einer "schwierigen Partie", sagte er. Scholz ging dennoch davon aus, dass der gemeinsame Vorschlag "gut für den notwendigen Konsens in Europa" sei.
Merkel und Macron stoßen vor allem in den nördlichen EU-Ländern auf Widerstand.
Freude in Rom und Madrid
Die italienische Regierung lobte den Plan. Mit der Summe von 500 Milliarden Euro "können wir beginnen, den Recovery Fonds (Wiederaufbau-Fonds) im Rahmen des europäischen Haushalts noch substanzieller zu gestalten", zitierte die Nachrichtenagentur Ansa Ministerpräsident Giuseppe Conte. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez schrieb auf Twitter von einer "Initiative, die auf einer Linie mit unseren Forderungen ist und bei der wir weiter vorwärtskommen müssen".
Unterstützung für Merkel und Macron kam auch von Portugals Finanzminister Mário Centeno. Er forderte seine EU-Kollegen auf, sich durch den französisch-deutschen Vorschlag inspirieren zu lassen. "Differenzen in Krisenzeiten zu überbrücken, ist Beweis von Führungsstärke", erklärte Centeno, der auch Vorsitzender der Gruppe der Euro-Finanzminister ist.
Zustimmung kam auch von Luxemburg. Dessen Finanzminister Pierre Gramegna erklärte, der Vorstoß werde "die Solidarität erhöhen, Wachstum stärken" und zu einer schnelleren umfassenderen Einigung auf EU-Ebene beitragen.
EU-Kommission plant keine "direkte Kopie"
Die EU-Kommission begrüßte den Plan als Beitrag zu ihrem eigenen Vorschlag, der am Mittwoch kommender Woche vorgestellt werden soll. Es gebe "thematische Überlappungen", sagte ein Sprecher. Das bedeute aber nicht, dass der Kommissionsplan "eine direkte Kopie des französisch-deutschen Vorschlags sein wird".
Es sei immer "hilfreich", wenn sich zwei wichtige Mitgliedstaaten auf einen Standpunkt einigten, sagte der Sprecher. Von der Leyen sei aber "im Kontakt mit der Gesamtheit der Mitgliedstaaten und auch mit dem europäischen Parlament". Die Kommission werde aus allen Wünschen und ihren eigenen Prioritäten "eine Art Synthese" erstellen. "Der Erfolg hat immer mehrere Mütter und Väter."
Der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs hatte der EU-Kommission Ende April den Auftrag gegeben, einen "Wiederaufbauplan" auszuarbeiten. Ziel ist es, Europas Wirtschaft nach der Corona-Pandemie schnell wieder aus der Rezession zu holen. Volumen, Finanzierung und Auszahlungsmodalitäten sind aber bisher hoch umstritten, weshalb von der Leyen die Vorlage des Plans schon mehrfach verschieben musste.
Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis verwies nach den Beratungen der Finanzminister darauf, dass die Kommission ein Volumen nicht nur von Hunderten Milliarden, sondern im Bereich von Billionen wolle. Dies bedeute, dass es sowohl um Kredite als auch Zuschüsse gehen müsse. Er sei "optimistisch, dass ein akzeptabler Kompromiss gefunden wird".