EU-Blick auf die G20 Bloß nicht zu arrogant auftreten
Die EU will sich im Zuhören üben: Mit dieser Maßgabe reisten ihre Delegierten zum G20-Gipfel. Denn selbst eine Einigung auf gemeinsame Mindeststandards könnte diesmal schwierig werden.
Bloß nicht zu arrogant auftreten, lieber mal zuhören, was die Länder des Globalen Südens sagen - das war von EU-Sprechern in Brüssel vor der Abreise zum G20-Gipfel nach Indien zu hören. Die neue Bescheidenheit hat einen Grund, es ist eine Folge des Krieges in der Ukraine.
Schockartig mussten die Europäer einsehen, dass viele Länder - und vor allem Länder aus dem globalen Süden - sich nicht einreihen wollten in die Anti-Russland-Front. Oft mit der Begründung, die Europäer hätten vorher Konflikte fern ihrer eigenen Grenzen auch nicht mit der Solidarität bedacht, die sie jetzt einfordern, wo ein Krieg vor der eigenen Haustüre stattfindet.
Mit einer gehörigen Portion Selbstkritik brachte der Chefdiplomat der EU, Josep Borrell, die Erkenntnis auf den Punkt. "Ich glaube immer mehr, dass der Rest der Welt gar nicht unserem Beispiel folgen will", sagte er in einer Rede vor jungen Diplomaten. "Wir Europäer denken, wir seien ein Vorbild, dem die anderen nur folgen müssen" - aber dem sei nicht mehr so. "Sie akzeptieren das nicht, aus historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gründen." Sein Rat an den europäischen Diplomatennachwuchs: "Wir müssen besser zuhören."
Afrikanische Staaten reagieren verbittert
In Neu-Delhi wird es gerade im Kampf gegen die Klimakrise - und die ist aus EU-Sicht eines der wichtigsten Gipfel-Themen - auf Zuhören ankommen. Und darauf, den Schwellenländern beim Ausstieg aus der Kohle mit Milliardensummen unter die Arme zu greifen. Der Globale Süden habe Ressourcen im Überfluss, findet Kommissionschefin Ursula von der Leyen, es komme jetzt auf die Zusammenarbeit mit ihnen an. Als Beispiele nennt sie EU-Partnerschaften bei der Wasserstoffgewinnung und Hilfen beim Ausstieg aus der Kohle, etwa für Südafrika.
Allerdings hat sich in den Vorverhandlungen auf Ministerebene schon gezeigt, dass gerade die Afrikaner verbittert reagieren, wenn sie jetzt das Weltklima retten sollen, das von den reicheren Ländern für den eigenen Wohlstand in Gefahr gebracht wurde. Denn die G20 vereinigt die größten Luftverschmutzer der Welt, allen voran China und die USA. In der gesamten Staatengruppe ist der CO2-Ausstoß eben nicht gesunken, sondern seit 2015 sogar um fast zehn Prozent gestiegen.
EU will als verlässlicher Partner auftreten
Und dann klingt es eben doch wieder ein bisschen nach Vorbild Europa, wenn Kommissionschefin aus dem reichen Brüssel an die Einhaltung der Pariser Klimaziele appelliert. "Europa ist auf Kurs", sagte sie bei der Weltklimakonferenz im November im ägyptischen Sharm El-Sheikh, "wir werden die Treibhausgase um mindestens 55 Prozent bis 2030 reduzieren."
Neben der Klimakrise ist der Krieg in der Ukraine für die EU ein Sorgenthema beim Gipfel in Neu-Delhi. Die Brüsseler Delegation hofft, dass man sich auf Mindeststandards einigen kann - zum Beispiel darauf, dass alle Mitglieder die Grenzen von Staaten respektieren und keine Atomwaffen einsetzen. Alle Länder, das wären dann auch Russland und China. Ob die zustimmen, das war bis zuletzt Thema in den Vorverhandlungen. Mit ungewissem Ausgang, heißt es aus Delegationskreisen.
Die G20-Länder könnten sich auf die Europäische Union verlassen, twitterte EU-Ratspräsident Charles Michel vor dem Gipfel, "als verlässlichen Partner für globale Entwicklung und für den Weltfrieden".