Nach FDP-Blockade Abstimmung zu EU-Lieferkettengesetz verschoben
Eine Mehrheit bei der Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz war wegen des Widerstands der FDP unsicher. Nun wurde das Votum kurzfristig verschoben. Die Grünen sprechen von einer "Blamage in Brüssel".
Die finale Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz im Rat der EU-Mitgliedsstaaten ist kurzfristig verschoben worden. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft mit. Ein Grund ist wohl, dass Deutschland sich wegen des Widerstandes der FDP bei der Abstimmung enthalten hätte. Damit wäre die nötige Mehrheit unter den Mitgliedstaaten nicht mehr gesichert gewesen.
Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Sie sollen zudem stärker auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung verpflichtet werden. Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz, das EU-Vorhaben geht aber über die deutschen Vorgaben hinaus.
Bedenken weiterer EU-Länder
Die Ampel-Parteien hatten ursprünglich im Koalitionsvertrag verankert, sich für eine europäische Regelung einzusetzen. In der vergangenen Woche teilten Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesfinanzminister Christian Lindner (beide FDP) aber mit, dass sie das eigentlich fertig verhandelte Gesetz nicht mittragen wollen. Es sei in der bisherigen Form "unzumutbar für kleine und mittelständische Unternehmen", sagte Buschmann.
Die Bundesregierung kündigte daraufhin an, sich bei der finalen Abstimmung im Rat der EU-Mitgliedsstaaten zu enthalten. Nötig ist ein Ja von 15 der 27 EU-Staaten, die zudem mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Unter anderem hatten auch Italien und mehrere kleine EU-Länder Bedenken angemeldet.
Zuletzt sorgte ein Brief Buschmanns an seine EU-Amtskollegen für weiteres Aufsehen. Darin erläuterte der FDP-Politiker seine Ablehnung und appellierte auch an seine Kollegen, dem bereits vereinbarten Gesetz die Zustimmung zu entziehen.
Forderungen nach Umdenken
Das Vorgehen stößt auf Kritik. Die EU-Abgeordnete Anna Cavazzini von den Grünen sagte: "Die FDP hat nicht nur Deutschland zu einer Enthaltung gezwungen, sondern auch auf andere Länder Druck ausgeübt, dem EU-Lieferkettengesetz ebenfalls nicht zuzustimmen".
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, erklärte, dass die Abstimmung über eine so wichtige Richtlinie ausgerechnet aufgrund einer fehlenden Zustimmung aus Deutschland auf der Kippe stehe, sei "extrem bitter". Durch die Verschiebung habe man allerdings noch eine Chance bekommen. Deutschland müsse der Lieferketten-Richtlinie bei der nächsten Sitzung zustimmen, um seinen Ruf als verlässlicher Partner in der EU wiederherzustellen. Nun sei die Regierung gefragt. "Wir erwarten, dass sich diese Blamage in Brüssel nicht noch einmal wiederholt."
Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Tiemo Wölken sieht die Verlässlichkeit der Bundesrepublik als Verhandlungspartner im Rat der Europäischen Union erschüttert. "Das bedeutet auch, dass Deutschland massiv an Gewicht einbüßt", sagte er. Die FDP müsse "ihren Anti-Europa-Kurs endlich aufgeben, sonst riskieren wir auf Dauer die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik als Partner in Europa".
Neuer Termin unklar
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg betonte hingegen, neben Deutschland sei aus vielen weiteren Mitgliedsländern deutliche Kritik zu vernehmen gewesen. "Diese breite Skepsis belegt, dass es weiterer Gespräche und Verbesserungen bedarf. Die Richtlinie hätte eine massive bürokratische Belastung ohne einen verbesserten Schutz der Menschenrechte bedeutet", sagte er. "Die vorgesehenen Prüf- und Berichtspflichten hätten insbesondere den Mittelstand massiv überfordert."
Wann die Mitgliedstaaten erneut über das Lieferkettengesetz abstimmen sollen, ist noch unklar. Durch die Verschiebung ist jedoch fraglich, ob die Richtlinie noch vor den Europawahlen Anfang Juni verabschiedet werden kann.