Anhörung der EU-Kommissare Kandidaten-Grill in Brüssel
Seit heute wird es ernst für die neuen EU-Kommissare. Sie müssen sich dem EU-Parlament stellen. Den Anfang machte die künftige Chefdiplomatin Ashton. Sicher kann sich kein Kandidat sein. Vor fünf Jahren lehnten die Abgeordneten einen Anwärter ab.
Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel
Für die Kommissarsanwärter seien die Anhörungen wie ein Staatsexamen, heißt es aus Kreisen der Behörde. Die Kandidaten haben ihre Dossiers gelernt, sich mit den wichtigen Themen aus ihrem Bereich auseinander gesetzt. Die Kommissare haben sogar mit Trainern ihre Körpersprache verbessert und gelernt, wie man in Extremsituationen reagieren muss.
Von heute an stehen sie den Abgeordneten aus den Fachausschüssen Rede und Antwort. Noch bis zum 19. Januar dauert die Prüfungsphase. Es geht los mit Catherine Ashton, Kandidatin für das Amt der Hohen Repräsentantin für die Sicherheits- und Außenpolitik.
Ob Naher Osten oder Afghanistan, zu allen Konfliktgebieten muss Ashton Position beziehen können.
Eigeniniative gefragt
Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff: "Frau Ashton wird sich einer Reihe von Fragen gegenüber sehen. Ganz wichtig wird sein, wie sie ihren Job versteht. Wird sie wirklich eine gemeinsame europäische Außenpolitik vorantreiben oder will sie nur, sagen wir mal, vollziehendes Organ dessen sein, was die Mitgliedsstaaten vorgeben? Wir wünschen uns von ihr Eigeninitiative und wirklich eine gemeinsame europäische Linie, darauf wird das europäische Parlament drängen und das werden sicherlich viele Fragen zum Ausdruck bringen."
Drei Stunden lang können die Parlamentarier den Bewerbern auf den Zahn fühlen. Da ist Zeit, auch für Details. "Beim Thema Naher Osten erwarte ich nicht, dass sie schon ein fertiges Konzept hat, wie man dort Fortschritte erzielen kann. Dazu ist die Lage sicherlich zu verfahren, aber ich erwarte schon einige Ideen dazu, wie sie zum Beispiel das Nahost-Quartett wieder beleben will, wie sie mit den Russen, den Amerikanern und den Vereinten Nationen in diesem Quartett Europa positionieren will", sagt Lambsdorff.
Jeder der 27 EU-Staaten benennt einen Kandidaten für die EU-Kommission. Danach entscheidet der EU-Kommissionspräsident in Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten über die Ressortverteilung und schlägt die Kandidaten dem EU-Parlament vor. Die Eignung der Anwärter prüfen die Ausschüsse der jeweiligen Ressorts des EU-Parlaments. Die Abgeordneten können die EU-Kommission als Ganzes ablehnen, wenn sie mit einzelnen Kandidaten nicht einverstanden sind. Der EU-Kommissionspräsident wird auf Vorschlag der Mitgliedsländer direkt vom Parlament gewählt. Eine Begrenzung des Gremiums auf weniger Kommissare scheiterte in den Verhandlungen über den jetzt geltenden Vertrag von Lissabon, sodass bei der Aufnahme weiterer Länder die Zahl der Ressorts von derzeit 26 noch weiter steigen wird. Die Amtszeit der Kommission beträgt fünf Jahre.
Standhaft gegen die Lobbyisten?
Aber nicht nur der Außenausschuss nimmt sich am ersten Tag eine Bewerberin vor. Im Wirtschaftsausschuss trifft Olli Rehn die Parlamentarier. Er kandidiert für das Amt des Kommissars für Wirtschaft und Währung. Hier wird auch der SPD-Abgeordnete Udo Bullmann seine Fragen stellen: "Wir machen die Hedge-Fonds-Gesetzgebung. Das ist eines der wichtigsten Gesetzgebungswerke, die wir gerade fertigstellen. Da darf man nicht wackeln, die Industrie ist unterwegs. Es muss neue Regeln geben für Hedgefonds und private Beteiligungsgesellschaften."
Kurzweil garantiert
Die Sitzungen sind öffentlich. Auch wenn sie auf drei Stunden angesetzt sind, dürfte es eher nicht langweilig werden. Davon ist auch Günher Oettinger überzeugt, deutscher Kandidat für das Amt des Energiekommissars: "Ich glaube, dass das ganze kurzweilig wird. Es geht ja nicht um einen Monolog. Es geht ja um kurze Fragen, um kurze Antworten, ich bin sicher, die Zeit wird schneller rumgehen als bei manch langweiliger Parteivorstandsvorsitzung."
Oettinger nimmt die Befragung gelassen.
Oettinger spricht erst am Donnerstag vor dem Ausschuss. Am 26. Januar stimmt das Parlament dann über die gesamte Kommission ab. Dass einzelne Kandidaten durchfallen, ist nicht unwahrscheinlich. Vor fünf Jahren sägten die Parlamentarier einen Anwärter ab, der sich frauen- und homosexuellen-feindlich geäußert hatte. Nach den jeweiligen Ausschusssitzungen geben die Abgeordneten ihr Votum ab. "Wir werden auf jeden Fall jede Person auf Herz und Nieren testen. Das ist unser Job, und das darf auch die Bevölkerung von uns erwarten", sagt der Abgeordnete Bullmann.