Deutsch-französische Beziehungen Einigt Euch, aber schnell!
Es ist gut, dass Deutschland und Frankreich wieder versuchen, die Fähigkeit zur Einigkeit zu betonen, meint Julia Borutta. Doch in wichtigen Fragen ist man weiter auseinander, und in Frankreich hält der Höhenflug von Le Pen an. Deshalb drängt die Zeit.
In Meseberg hat Bundeskanzler Olaf Scholz neben Präsident Emmanuel Macron einen denkwürdigen Satz gesagt. Und zwar : "Wir einigen uns immer." Das war eine Feststellung mit Blick auf die Vergangenheit und ist umso mehr ein Versprechen für die Zukunft.
Deutschland und Frankreich müssen sich einigen, müssen liefern, aber schnell. Den Willen dazu haben sie während des Staatsbesuchs immer wieder bekundet. "Cher Frank-Walter", "cher Olaf", "lieber Emmanuel" - so ging das drei Tage lang.
Umarmungen, Lob und gelöste Momente gab es reichlich. Und das ist auch gut so. Wer so hart arbeitet, so dicke Bretter bohrt, so weite Brücken schlagen muss, um bei den unterschiedlichen Interessen, Ansätzen und Prägungen der beiden Länder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, der darf sich auch mal feiern.
Einigkeit und Ende des Schmollens
Aber die Herausforderungen sind gewaltig und die Zeit drängt. Immerhin: Beim Thema Verteidigung ist man sich einig, dass man die Bedarfe besser erfassen, die Waffensysteme einheitlicher gestalten und neue Finanzquellen heben muss, etwa im Rahmen der G7.
Was den von Deutschland initiierten europäischen Raketenabwehrschild "Sky Shield" anbelangt, scheint Frankreich aus der Schmollecke zu kommen. Zunächst beleidigt, weil Scholz mit dieser Idee vorgeprescht war, bietet Macron jetzt die französische atomare Abschreckung als komplementäres Element zur Verteidigung Europas an. Und Scholz hat signalisiert, dass es das gut findet.
Keine Antworten beim Thema Wettbewerb
Beim Thema Wettbewerb allerdings sind richtig große Brocken aus dem Weg zu räumen. Scholz und Macron konnten bei der Abschlusspressekonferenz in Meseberg nur ausweichend auf die Frage antworten, wie man in der EU den dringend notwendigen Investitionsschock finanzieren will. Mit einem EU-Fonds nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds oder über gemeinsame Schulden?
Auf diese Frage haben Paris und Berlin immer noch keine gemeinsame Antwort gefunden. Der deutsche FDP-Finanzminister bremst. Also verlegen sich Scholz und Macron darauf, private Gelder zu mobilisieren. Mit Verve haben beide einen harmonisierten europäischen Kapitalmarkt gefordert, damit nicht mehr Milliarden Euro privater Investitionsgelder in Richtung USA abfließen.
Aber erstens ist man sich auch hier in den Details längst nicht einig und zweitens wird es ohne mehr staatliche Gelder nicht gehen. Es droht eine weitere langwierige Hängepartei - dabei drängt die Zeit!
Den Höhenflug des RN im Auge behalten
Denn in Frankreich erleben die extrem Rechten einen Höhenflug. Der Rassemblement National (RN) will die EU zu einem Selbstbedienungsladen für Nationalisten ohne gemeinsame Strategie umbauen. Und wenn der RN bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2027 genauso erfolgreich ist, wie derzeit in den Europawahl-Umfragen, dann wird das deutsche Kanzleramt schon sehr bald einer Präsidentin Marine Le Pen den roten Teppich ausrollen müssen.
Alle visionären EU Projekte, die bis dahin nicht beschlossen wurden, werden dann für immer in der Schublade verschwinden. Deshalb: Einigt euch, einigt euch schnell!