Freilassung von Libyer in Italien Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Meloni
Italiens Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ministerpräsidentin Meloni wegen der Freilassung eines international gesuchten libyschen Milizenführers. Ihr werde unter anderem Beihilfe zu einer Straftat vorgeworfen, teilte sie mit.
Die italienische Justiz ermittelt gegen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wegen der umstrittenen Freilassung eines vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Kriegsverbrechen gesuchten Libyers. Sie werde unter anderem der Beihilfe zu einem Verbrechen verdächtigt, teilte Meloni mit. Ein entsprechendes Verfahren gegen sie sei bereits eingeleitet. Die Staatsanwälte ermittelten auch gegen Justizminister Carlo Nordio, Innenminister Matteo Piantedosi und den Staatssekretär für Geheimdienstangelegenheiten, Alfredo Mantovano.
Meloni erklärte, sie sei nicht zum Rücktritt verpflichtet. Dass gegen sie ermittelt werde, bedeute weder, dass sie schuldig sei, noch dass zwangsläufig formelle Anklagen folgen würden. "Ich lasse mich nicht erpressen, ich lasse mich nicht einschüchtern, und deshalb bin ich, sagen wir mal, bei denen unbeliebt, die nicht wollen, dass Italien sich ändert und besser wird", schrieb Meloni auf Facebook.
IStGH wirft Libyer Mord, Folter und Vergewaltigung vor
In dem Fall geht es um Osama Almasri Najeem, Chef der libyschen Kriminalpolizei und einer der Leiter der berüchtigten Haftanstalten der von der Regierung in der libyschen Hauptstadt Tripolis unterstützten Miliz SDF. Der Truppe, die als eine Art Militärpolizei fungiert, werden eine Reihe von Gräueltaten während des Bürgerkriegs in Libyen vorgeworfen.
Der Haftbefehl des IStGH gegen Najeem fußt aber auf Verbrechen in jüngerer Zeit, unter anderem in den SDF-Haftanstalten. Demnach wirft der Gerichtshof ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor - unter anderem Mord, Folter und Vergewaltigung von Gefangenen.
Fall ist für die italienische Regierung brisant
Am 19. Januar war Najeem nach einem Hinweis des IStGH in der italienischen Stadt Turin festgenommen worden, zwei Tage später aber wieder freigekommen und unmittelbar nach Tripolis geflogen worden, wo er von Anhängern jubelnd empfangen wurde. Mehreren Medienberichten zufolge wurde für Najeems Flug eine Maschine des italienischen Staates benutzt.
Als Vertragsstaat des IStGH muss Italien vom Strafgerichtshof gesuchte Verdächtige verhaften. Allerdings unterstützt die Regierung in Rom die libysche Küstenwache dabei, Migranten an der Fahrt nach Italien zu hindern. Ein Prozess gegen Najeem vor dem IStGH könnte ein Schlaglicht darauf werfen. In den SDF-Haftanstalten in Libyen werden auch Migranten festgehalten. Menschenrechtler werfen Italien vor, durch Absprachen mit der Regierung in Tripolis für Misshandlungen in den Gefängnissen mitverantwortlich zu sein.
Außenminister Tajani: IStGH "nicht das Wort Gottes"
Innenminister Piantedosi hatte vergangene Woche gesagt, das römische Berufungsgericht habe Najeem Freilassung angeordnet, weil es seine Verhaftung als nicht verfahrenskonform angesehen habe. Laut Innenministerium war Najeem freigekommen, weil die örtliche Polizei das Justizministerium nicht sofort über die Verhaftung informiert habe - was aber vorgeschrieben sei. Piantedosi hatte später von einer "sozialen Gefährlichkeit" Najeem gesprochen. Aus Gründen der Staatssicherheit habe er daher eine Ausweisungsverfügung erlassen.
Außenminister Antonio Tajani hatte zudem gesagt, der IStGH sei "nicht das Wort Gottes und nicht die Quelle aller Wahrheit". Auch sei Italien ein souveränes Land "und wir treffen unsere eigenen Entscheidungen".
Der Internationale Strafgerichtshof untersucht seit dem Bürgerkrieg in Libyen im Jahr 2011 schwere Verbrechen in dem Land. Nach IStGH-Angaben war Italien im Zuge der erwarteten Festnahme aufgefordert worden, sich mit dem Gericht in Verbindung zu setzen, falls es Probleme mit dem Verhaftungsprozess gebe. Najeem sei jedoch ohne vorherige Ankündigung oder Konsultation des IStGH freigelassen worden.