Streit um EU-Außenministertreffen Hickhack mit Orban - das nächste Kapitel
Als Reaktion auf die eigenmächtige Reisetätigkeit des ungarischen Ministerpräsidenten Orban hat die EU ein Treffen der Außenminister von Budapest nach Brüssel verlegt. Heute findet es statt und sorgt für neue Spannungen.
Harmonisch und geschlossen, so wollen Europas Außenminister sich eigentlich bei ihren regelmäßigen Treffen präsentieren. Das gelingt nicht immer. Aber dieses Mal ging es schon im Vorfeld schief. Weil EU-Chefdiplomat Josep Borrell Ende Juli auf die ungewöhnlich Idee kam, das Treffen vom fest vereinbarten Ort in Budapest nach Brüssel zu verlegen.
Ungewöhnlich war der Vorstoß, weil informelle Treffen der Außenminister traditionell in dem Land stattfinden, bei dem der Ratsvorsitz der EU liegt. Zur Zeit ist das Ungarn. Mit dem Boykott von Budapest wollte Chefdiplomat Borrell Ungarns Regierungschef Viktor Orban für dessen diplomatische Alleingänge abstrafen. Konkret für seine nicht abgestimmten und dann auch erfolglos verlaufenen Friedensgespräche mit Wladimir Putin, Xi Jinping und Donald Trump.
"Nicht im Klein-Klein verlieren"
Zwar hat Orban unter Europas Außenminister zurzeit wenig Freunde und die Kritik an der einsamen Friedensmission war fast einhellig. Aber den Boykott des Außenministertreffens in Budapest hielten viele trotzdem für falsch.
Damit würde Orban nur wieder in eine Opferrolle befördert, da, wo er sich selbst am liebsten sieht - das war die Sorge der großen Länder - darunter Frankreich, Spanien, Italien und auch Deutschland. "Wir sollten uns nicht im Klein-Klein verlieren", mahnte Annalena Baerbock. Und nicht streiten, "wer wann wohin einlädt". Dafür seien die Zeiten zu ernst.
Kommt der ungarische Außenminister nach Brüssel?
Nach peinlichem Hin und Her auf offener Bühne setzte Borrell sich durch. Wohl auch, weil man ihn nicht allein im Regen stehen lassen wollte, wo der ganze Knatsch schon öffentlich geworden war. Das Treffen heute findet in Brüssel statt.
Allerdings war zuletzt nicht ganz klar, ob der düpierte ungarische Außenminister nun nach Brüssel anreist oder lieber in Budapest bleibt. Borrells Sprecher äußerte sich auf die Nachfragen der Journalisten schmallippig. Die Einladung sei an alle Außenminister gegangen. Aber kommt der ungarische auch? "Da müssen Sie schon in Ungarn nachfragen."
Fest zugesagt hat der Außenminister der Ukraine. Dmytro Kuleba wird die Europäer über die Lage auf dem Schlachtfeld informieren, über die täglichen russischen Raketenangriffe. Und danach wird er, davon geht man in Brüssel aus, mehr Nachschub an Abwehrwaffen fordern.
Suche nach Geld für die Ukraine
Eine zentrale Rolle für die langfristige Unterstützung wird die Frage spielen, wie schnell die Zinserträge von Russlands Milliardenanlagen im Westen genutzt werden können, um Waffen für die Ukraine zu kaufen. Fast alle EU-Länder wollen das. Die Umsetzung sei schwierig, mache aber Fortschritte, berichtete gestern Bundeskanzler Olaf Scholz. "Es wird intensiv an den technischen Voraussetzungen gearbeitet", erklärte Scholz beim Treffen mit britischen Premier Keir Starmer in Berlin. Darüber habe er auch mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen, "was den Anteil Europas betrifft und wie wir das machen".
Der Anteil Europas an der Militärhilfe für die Ukraine ist ein heikles Thema. Während Scholz in Deutschland von Kritikern vorgeworfen wird, für das kommende Jahr zu wenig Militärhilfe für die Ukraine bereitzustellen, sind es auf europäischer Ebene ganz andere Länder, denen Zögerlichkeit vorgeworfen wird. Große Länder wie Frankreich, Spanien und Italien haben bisher zusammengerechnet nur einen Teil der Unterstützung bereitgestellt, die aus Deutschland allein kam.
Selbst wenn der politische Wille da wäre, aufzuholen - die hohe Staatsverschuldung steht dem entgegen. In Frankreich liegt die Staatsschuldenquote bei 112 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, in Italien sind es sogar 137 Prozent. Das engt den Spielraum ein - in einer ganz anderen Dimension als in Deutschland mit einem Schuldenstand von 63,4 Prozent.
Hoffen auf Zinserträge aus russischem Vermögen
Vor diesem Hintergrund wäre die langfristige Absicherung der Militärhilfe für die Ukraine über die Zinserträge aus Russlands Staatsvermögen gerade für die Hochverschuldeten unter den Europäern eine willkommene Lösung. Die sieben großen westlichen Industriestaaten (G7) und die EU hatten im Juni vereinbart, dass Einkünfte aus den eingefrorenen russischen Guthaben im Westen dazu genutzt werden sollen, der Ukraine einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, um Waffen zu kaufen. Ob das bis zum Ende das Jahres vorbereitet ist und dann 2025 funktioniert, ist allerdings offen.
Zweites schwieriges Thema für Europas Außenminister ist der Krieg in Nahost - dazu haben sie eine frühere Kollegin eingeladen, Sigrid Kaag, die Ex-Außenministerin der Niederlande. Sie kümmert ist jetzt bei den Vereinten Nationen für Hilfe und Wiederaufbau im Gazastreifen - von ihr erhoffen sich die Minister einen ungeschminkten und unparteilichen Blick auf den Konflikt. Und auch eine Einschätzung zu der Frage, welche Chance die Gespräche über eine Waffenruhe zwischen Israel und den Hamas-Terroristen haben.