Umstrittener Entwurf EU-Parlament berät über Schlepper-Richtlinie
Das EU-Parlament erörtert heute eine Richtlinie, die jede Beihilfe zur unerlaubten Einreise in die Union unter Strafe stellen soll. Kritiker sehen Flüchtlinge und ihre Unterstützer kriminalisiert.
Schleusernetzwerke erzielen weltweit jedes Jahr bis zu sechs Milliarden Euro Gewinne. Die Vorgehensweise der Kriminellen ist dabei überaus flexibel und den nationalen Behörden auch in den EU-Mitgliedsstaaten häufig mehrere Schritte voraus.
Deshalb sei es nötig die Anstrengungen im Kampf gegen dieses Verbrechensphänomen deutlich zu verstärken, teilt die EU-Kommission auf Anfrage schriftlich mit:
Die Kommission hat im November 2023 die Richtlinie zur Festlegung von Mindestvorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung der unerlaubten Ein- und Durchreise sowie des unerlaubten Aufenthalts in der EU vorgeschlagen. Die Kommission ist bereit, die gesetzgebenden Organe zu unterstützen, bei den Verhandlungen so bald wie möglich zu einer Einigung zu gelangen.
Keine humanitären Ausnahmen
So will die bis Jahresende amtierende ungarische Ratspräsidentschaft noch im Dezember eine einheitliche Position der Mitgliedsländer herbeiführen und plädiert dabei für eine möglichst harte Definition der sogenannten Beihilfe zur illegalen Einreise - ohne irgendwelchen humanitären Ausnahmen.
Heute beginnen die Beratungen auch im EU-Parlament, damit dann zu Jahresbeginn die so genannten Trilog-Verhandlungen starten können. Die Überarbeitung der Richtlinie von 2002 sei überfällig, sagt die CDU-Europaparlamentarierin Lena Düpont.
Für die innenpolitische Sprecherin der Unionsgruppe im EU-Parlament ist dabei besonders wichtig, dass die Beihilfe zur illegalen Einwanderung klarer definiert wird: "Dementsprechend ist es gut, dass der vorliegende Kommissionsentwurf nicht nur rechtliche Klarstellungen vornehmen möchte, sondern vor allem unser Instrumentarium im Kampf gegen diese Schleusernetzwerke noch einmal deutlich verschärft."
Grüner Abgeordneter sieht Abschreckungsstrategie
Die geplante Neuregelung sei Teil einer der europäischen Abschreckungsstrategie, meint der grüne Europaparlamentarier Erik Marquardt. Er glaubt, dass durch die Richtlinie die humanitäre Hilfe an Land und auf See immer weiter eingeschränkt werde, "dass also beispielsweise bei der Seenotrettung dann Staatsanwältinnen und -anwälte, teilweise mit politischer Motivation offenbar, aktiv werden und versuchen, diese humanitäre Hilfe zu kriminalisieren".
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen für Seenotretter
Seenotretter fürchten - wie alle Flüchtlingshelfer, die an Europas Grenzen humanitär aktiv sind -, dass sie künftig mit Schleusern auf eine Stufe gestellt werden, sagt Sea-Watch-Sprecher Oliver Kulikowski. Aber nach den UN-Vorgaben werde eine Handlung nur dann als Schmuggel angesehen und damit strafbar, wenn damit ein finanzieller Vorteil verbunden ist: "Der Entwurf jetzt macht aber diesen Unterschied überhaupt nicht. Das heißt Fluchthilfe aus humanitären Gründen droht dieselbe Strafe wie anderen, die das aus Profitinteresse machen."
Im Entwurf des Kommissionsvorschlags sei der Tatbestand der sogenannten Beihilfe zur illegalen Einreise so auslegbar, dass damit jeder zu langen Haftstrafen verurteilt werden könne, der vermeintlich ein Boot nach Europa gefahren habe - selbst wenn es das eigene Fluchtboot war.
Heftige Debatten wird es im EU-Parlament auch über den neuen Straftatbestand der öffentlichen Anstiftung geben. So fürchten NGOs, dass dies gegen alle genutzt werden könnte, die Migranten beispielsweise mit rechtlichen Informationen unterstützen.