Türkischer Schutzantrag Wann ist ein Döner ein Döner?
Die EU muss bald darüber entscheiden, ob der Döner als "traditionelle Spezialität" geschützt wird. Viele Döner dürften dann nicht mehr so genannt werden - die Empörung ist groß. Welche Chancen hat der Antrag aus der Türkei?
Es geht ums Fleisch: Nur das von Lämmern oder mindestens 16 Monate alten Rindern soll künftig für einen Döner verwendet werden dürfen - so will es die International Doner Federation aus der Türkei.
Sie hat bei der EU den Antrag gestellt, den Döner als "traditionelle Spezialität" zu schützen, so die Vorsitzende der Organisation, Huriye Özener: "Wir haben die Registrierung für den traditionellen Döner eingeleitet. Einschließlich des zu verwendenden Fleisches, des Marinierens und Aufspießens und der genauen Garzeit."
Und es geht um genaue Anweisungen, wie das Fleisch vom Spieß abgeschnitten werden soll - nämlich von oben nach unten, in zwei bis fünf Millimeter dicken Streifen, mit einem circa 55 Zentimeter langen Dönermesser. Um Zutaten wie Brote, Soßen, Kraut und Salat geht es dem Zusammenschluss türkischer Döner-Erzeuger mit Sitz in Istanbul dabei nicht.
Penible Vorgaben
Hätte der Vorstoß Erfolg, stünde der Döner in einer Reihe mit etwa dem Serrano-Schinken, den Spanien hat schützen lassen, sowie dem italienischen Mozzarella-Käse und dem Gueuze-Bier aus Belgien. Das sind drei von rund 90 bisher von der EU geschützte Bezeichnungen für "garantiert traditionelle Lebensmittel".
Sprich: Diese Produkte dürfen quasi überall unter dem Namen hergestellt und verkauft werden, allerdings nur nach den Kriterien, die der Antragsteller von der EU hat absegnen lassen.
Döner-Verkäufer in der EU, die rund 400 Tonnen Döner pro Tag produzieren, müssten sich dann künftig an penible Vorgaben halten. Was entweder den Preis nach oben treiben oder zu Namensänderungen führen dürfte.
Heißt es in Zukunft "Drehspieß"?
Wird es künftig also verstärkt "Drehspießbuden" geben, wenn die türkische Döner-Initiative Erfolg hat? "Die Folgen wären notwendigerweise neue Bezeichnungen für Döner-Gerichte, damit verbundene Unklarheiten und Intransparenz, Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten", heißt es beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA.
Die aktuelle Initiative aus der Türkei wäre daher eher zum Nachteil der Kundinnen und Kunden: "Denn bei dem Antrag geht es explizit nicht um die Frage von Qualitätsstandards, sondern darum, was in Deutschland unter einem Döner zu verstehen ist."
Dazu definiert seit 1992 eine Verordnung in Deutschland gewisse Qualitätsstandards: Demnach ist der Hackfleischanteil auf maximal 60 Prozent begrenzt. Hähnchen-Döner etwa sind gar nicht vorgesehen, auch wenn sie inzwischen dennoch Realität sind.
Deutschland ist Europas Döner-Hotspot
Auch der Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa, mit Sitz in Berlin, ist eher skeptisch gegenüber neuen Schutzregeln, wollte sich aber zuletzt mit Verweis auf das "laufende Verfahren" nicht zu den Gründen äußern.
Seinen Angaben zufolge macht die Branche deutschlandweit 2,4 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Europaweit sind es rund 3,5 Milliarden. Anna Cavazzini, die Verbraucherschutzexpertin der Grünen im Europaparlament, meint, dass es derzeit sehr viel Widerstand in der öffentlichen Debatte gebe. "Und dass auch viele Verbände sich zu Wort gemeldet haben, wird einen Einfluss haben."
Allerdings gibt es auch schon andere Lebensmittel, die auf Antrag eines Nicht-EU-Landes als "traditionelle Spezialität" europaweit geschützt sind. Dazu gehört etwa "Fleur de sel" aus Guinea oder der Turkish Coffee, für den die exakten Pflanzenextrakte festgelegt wurden.
"Viele Streitigkeiten bezüglich Herkunft"
Die Einspruchsfrist auf nationaler Ebene lief Ende Juni ab. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat zehn "begründete Einwände" aus Deutschland gegen die Eintragung des Döners als garantiert traditionelle Spezialität entgegengenommen. "Diese werden nun geprüft und bis zum 24. Juli 2024 an die EU-Kommission weitergegeben", so ein Sprecher der Behörde.
Die Kommission startet dann ein Konsultationsverfahren, das nach Angaben der Generaldirektion Landwirtschaft innerhalb von maximal sechs Monaten zu einer Einigung führen soll. Das dürfte nicht leicht werden, schätzt die EU-Abgeordnete Marion Walsmann: "Es gibt gerade beim Döner viele Streitigkeiten bezüglich dessen Herkunft. Es ist also unklar, wer genau die geistigen Eigentumsrechte halten könnte."
Anschließend liegt der Ball wieder bei der Kommission, die eine endgültige Entscheidung über die Registrierung treffen muss, auch auf Basis der Empfehlung der Europäischen Agentur für geistiges Eigentum.
Walsmann sagt, sie könne sich nur "sehr schwer vorstellen, dass dem Döner der Schutzstatus einer garantiert traditionellen Spezialität verliehen wird, wie es etwa bei der Pizza Napoletana der Fall ist". Denn selbst wenn die Ursprünge des Döners in der Türkei liegen, sei er in Deutschland durch türkische Einwanderer eingeführt worden - und in seinen verschiedenen Varianten fast schon zu einem deutschen Nationalgericht geworden.