Das Aufnahmezentrum für Migranten im Hafen von Shengjin im Nordwesten Albaniens.

EuGH verhandelt über "Albanien-Modell" Wann darf ein Land als "sicheres Herkunftsland" gelten?

Stand: 25.02.2025 18:52 Uhr

Wann ist ein Herkunftsland sicher? Italien hat zuletzt immer mehr Länder entsprechend eingestuft, um mehr Asylbewerber in Albanien unterbringen und dann abschieben zu können. Nun verhandelt der EuGH.

Von Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion

Mit ihrem "Albanien-Modell" will die italienische Regierung die Asylverfahren vereinfachen. Innerhalb von 28 Tagen sollen die Behörden über Asylanträge entscheiden - ohne, dass die Geflüchteten Italien und damit EU-Boden betreten. Stattdessen sollen sie in Asyllagern in Albanien auf die Entscheidung warten.

Das funktioniert so: Schon auf dem Mittelmeer fangen italienische Grenzschützer Geflüchtete auf ihrem Weg nach Italien ab. Auf dem Schiff prüfen die Beamten, wer für das Schnellverfahren in Frage kommt. Die Schnellverfahren sind rechtlich nur zulässig, wenn die Geflüchteten aus sogenannten "sicheren Herkunftsländern" kommen. Italien stuft etwa Bangladesch und Ägypten als sichere Herkunftsländer ein. Also werden vor allem junge, gesunde Männer aus Bangladesch oder Ägypten in die Asyllager nach Albanien gebracht. Dort müssen sie auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Hat der Erfolg, dürfen sie weiter nach Italien. Ansonsten müssen sie ohne Umwege zurück nach Hause.

Italienisches Gericht will Klarheit

Für die betroffenen Menschen bedeute dieses Vorgehen eine große psychische Belastung, kritisiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL: "Das Vorgehen führt dazu, dass die Menschen extrem verängstigt, verunsichert und desorientiert in Albanien ankommen. Die fragen sich auch, was mit ihnen passiert und haben Angst davor, längere Zeit inhaftiert und dann abgeschoben zu werden."

Zwei betroffene Asylbewerber hatten sich juristisch gegen das Vorgehen gewehrt - mit Erfolg. Ein Gericht in Rom entschied: Bangladesch und Ägypten sind keine sicheren Herkunftsländer. Das römische Gericht hatte allerdings noch Klärungsbedarf und rief deshalb im November 2024 den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg an.

Entscheidung über einheitliches Asylsystem in Europa?

Der EuGH muss jetzt klären, unter welchen Voraussetzungen Herkunftsländer als sicher eingestuft werden können. Außerdem muss er klären, inwiefern nationale Gerichte dies überprüfen können. Rechtsanwalt Dario Belluccio, der einen der betroffenen Asylbewerber vertritt, erhofft sich von dem Verfahren auch die Klärung einer politischen Frage: "Wir müssen uns entscheiden, ob wir ein einheitliches Asylsystem in Europa wollen - oder ob jeder Staat seinen einzelnen Weg gehen will", so Belluccio nach der Verhandlung gegenüber der ARD-Rechtsredaktion.

Er hat in der heutigen Verhandlung das Vorgehen der italienischen Regierung scharf kritisiert. Sie würde im Akkord die Liste der sicheren Herkunftsländer erweitern. Mittlerweile seien es 19 Länder. Dabei seien in einigen dieser Länder bestimmte Gruppen von Menschen, etwa Homosexuelle, gefährdet und damit nicht sicher. Zum Vergleich: In Deutschland stehen aktuell zehn Länder auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten - Bangladesch und Ägypten sind nicht dabei.

EU-Kommission hat keine rechtlichen Bedenken

Die italienische Regierung verteidigte dagegen ihr Vorhaben. Ein Land könne auch im juristischen Sinne sicher sein, wenn es zumindest für den Großteil der Bevölkerung tatsächlich sicher ist. Gegenüber der Presse durften sich die Vertreter der italienischen Regierung am EuGH nicht äußern.

Die EU-Kommission und einige EU-Länder, wie zum Beispiel Ungarn, haben keine rechtlichen Bedenken beim Vorgehen Italiens. Ganz anders sieht das die deutsche Bundesregierung. Ralf Kanitz, der die Bundesregierung in der heutigen Verhandlung vertrat, machte in seinem Plädoyer deutlich, dass aus Sicht der Bundesregierung die Einstufung eines Staates als sicher nach EU-Recht nur möglich sei, wenn der Staat auch für wirklich alle Personengruppen sicher ist.

Melonis "Prestigeprojekt"

Mit diesen und weiteren Argumenten wird sich der EuGH in den nächsten Monaten auseinandersetzen. Doch auch wenn der EuGH dem italienischen Vorgehen eine Absage erteilt, bedeute das noch nicht das Ende des Albanien-Modells, befürchtet Wiebke Judith von PRO ASYL. Es könne sein, dass die italienische Regierung dann versucht, die Zentren in Albanien für abgelehnte Asylbewerber zu nutzen und diese dort bis zur Rückreise unterzubringen. Denn das Albanien-Modell sei Melonis "Prestigeprojekt". Leichtfertig aufgeben werde sie es wohl nicht, sagt Judith.

Ein Urteil wird der EuGH erst in einigen Monaten verkünden.

Egzona Hyseni, SWR, zzt. Luxemburg, tagesschau, 25.02.2025 17:22 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 25. Februar 2025 um 10:07 Uhr.