Unruhen in Frankreich Furcht vor einer weiteren Nacht der Gewalt
Nacht für Nacht brennen derzeit in Frankreich Autos, Schulen und Supermärkte - aus Protest gegen den Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel. Präsident Macron verschob nun seinen Deutschland-Besuch. Denn die Krawalle dürften anhalten.
Das Verschieben des Staatsbesuchs sei beschämend, aber richtig - so die Meinung vieler Beobachter in Frankreich: Philipp Delpech, Journalist beim Fernsehsender TF1 spricht aus, was viele Menschen im Land denken: "Was gibt Frankreich im Ausland für ein Bild ab?" Der Präsident hätte diesen Besuch sicher schweren Herzens abgesagt, aber das sei ja schon die zweite Absage, nachdem der Staatsbesuch des britischen Königs Charles III. im März aufgrund der Rentenproteste verschoben werden musste. "So kurz hintereinander zwei Absagen. Das Bild Frankreichs im Ausland ist angeknackst."
Und das nur ein Jahr vor den Olympischen Spielen, die Frankreich im Sommer 2024 ausrichten wird. Um die aktuelle Lage in den Griff zu bekommen, untersagten örtliche Behörden Demonstrationen. Außerdem wurde vielerorts erneut angeordnet, dass die öffentlichen Verkehrsmittel am Abend nicht mehr fahren dürfen.
Eine Einheit, die speziell für die Bekämpfung von Gewalt in der Stadt ausgebildet wurde - die CRS 8 - soll laut Innenminister Gerald Darmanin die Polizei in Lyon unterstützen. Dort und in Marseille hatte es in der Nacht zu Samstag die schwersten Ausschreitungen gegeben. Cafés, Kioske und Einzelhändler wurden attackiert - die Vitrinen eingeschlagen, die Waren geplündert, die Einrichtung zerstört.
"Es reicht - basta!"
Der Unternehmerpräsident der Region, Philippe Korcia, forderte im Fernsehsender BFM TV hartes Durchgreifen:
Ich sag es Ihnen sehr ruhig, ich versuche ja alle zu beruhigen. Und wir sind eben keine ruhigen Leute in Marseille, wir sind Hitzköpfe. Wenn wir nicht wollen, dass es so weitergeht und die Unternehmer sich selbst verteidigen, müssen wir eine Lösung finden. Ich habe im Namen der Geschäftsleute den Einsatz von Panzerfahrzeugen gefordert.
Man hätte doch gerade erst die Pandemie und die Energiekrise überstanden, so Korcia. "Das war hart für uns alle. Jetzt haben wir auch noch eine Sicherheitskrise. Es reicht - basta!"
Auch ein Waffenladen wurde geplündert - und das in Marseille, einer Stadt, die vom Krieg der Drogenbanden gebeutelt ist. Dem Einsatz einer Sondereinheit ist es zu verdanken, dass die Plünderer keine Zeit hatten, in den Raum mit der Munition vorzudringen.
1350 Autos wurden bei den Ausschreitungen in Brand gesteckt, über 260 Gebäude demoliert oder angezündet.
Angriff auf Autos, Schulen, Rathäuser und Supermärkte
Insgesamt wurden in der vergangenen Nacht landesweit 1300 Menschen vorübergehend festgenommen. 1350 Autos wurden in Brand gesteckt, mehr als 260 Gebäude demoliert oder angezündet - darunter erneut Schulen und Rathäuser, aber auch Supermärkte.
Etwa in Bondy. Die Bewohner des östlichen Vorortes von Paris sind erschüttert. "Ich weiß nicht, wo ich jetzt einkaufen gehen soll. Ich habe kein Auto", sagt eine Frau. Eine andere: "Nachts habe ich Angst, dass die Feuerwerkskörper in unser Fenster am Balkon einschlagen. Ich habe Angst wegen meiner Kinder. Ich schlafe gar nicht mehr."
Am Nachmittag fand unterdessen die Beerdigung des am Dienstag getöteten 17-jährigen Jungen statt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP versammelte sich an der Trauerhalle eine große Menschenmenge - die Stimmung sei sehr angespannt gewesen, berichten Augenzeugen.