Vor Regionalwahlen in Russland Golos-Wahlbeobachter bis mindestens Oktober in U-Haft
Wenige Wochen vor Regionalwahlen in Russland ist der prominente Wahlbeobachter Melkonjanz inhaftiert worden. Ein Gericht ordnete gegen den Co-Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Golos Untersuchungshaft bis mindestens zum 17. Oktober an.
Ein russisches Gericht hat zwei Monate Untersuchungshaft gegen ein führendes Mitglied der unabhängigen Wahlbeobachtungsorganisation Golos angeordnet. Laut einer Erklärung des Moskauer Basmanny-Gerichts muss der Co-Vorsitzende der Bewegung zum Schutz der Wählerrechte, Grigory Melkonjanz, mindestens bis zum 17. Oktober in Untersuchungshaft.
Melkonjanz war am Vortag unter dem Vorwurf festgenommen worden, mit einer "unerwünschten Organisation" zusammenzuarbeiten. Laut seinem Anwalt steht die Inhaftierung im Zusammenhang mit der Arbeit von Golos für das Europäische Netzwerk der Wahlbeobachtungsorganisationen (ENEMO), das von den russischen Behörden zur "unerwünschten" Organisation erklärt worden war. Golos selbst steht seit 2021 auf der Liste der "Ausländischen Agenten".
Der Verteidiger des Aktivisten, Michail Birjukow, wies die Anschuldigungen gegen seinen Mandanten zurück. Melkonjanz oder Golos hätten mit keiner "unerwünschten Organisation" zusammengearbeitet.
Anwalt kündigt Berufung an
Laut den Videoaufzeichnungen aus dem Gerichtssaal nahm Melkonjanz die Entscheidung mit unbewegter Miene entgegen, bevor er in Handschellen abgeführt wurde. Sein Anwalt kündigte vor Journalisten Berufung an.
Die Entscheidung des Gerichts fiel nur wenige Wochen vor den russischen Regionalwahlen im September und weniger als ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr.
Am Donnerstag hatte die Polizei auch die Wohnungen mehrerer Golos-Mitglieder in Moskau, St. Petersburg, Kasan und Tscheljabinsk untersucht, wie die auf Dokumentation von Festnahmen spezialisierte russische Bürgerrechtsorganisation OWD-Info mitteilte. Die Golos-Beobachter legten in der Vergangenheit immer wieder massive Verstöße gegen das Wahlrecht sowie Manipulationen offen.
Regierungskritiker stark unter Druck
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die Repressionen gegen Regierungskritiker zugenommen. Die wenigen noch in Russland verbliebenen Oppositionellen werden ins Exil getrieben oder inhaftiert.
Die Wahlbeobachter würden "vernichtet", weil der Kreml so eine Dokumentation der Verstöße verhindern wolle, sagte der Politologe Abbas Galljamow. Das sei bereits eine Vorbereitung auf die Präsidentenwahl im März 2024. "Von einer Zustimmung von 90 Prozent für (Kremlchef Wladimir) Putin kann in Wirklichkeit keine Rede sein. Seine echten Werte liegen jetzt bei 30, maximal 40 Prozent", meinte er. "So gesehen ist Golos für den Kreml einfach ein Messer an der Kehle."