Nach Aufmarsch in Rom Faschistische Grüße und Melonis Schweigen
In Rom haben Hunderte bei einem Aufmarsch den faschistischen Gruß gezeigt. Italiens Ministerpräsidentin Meloni schweigt bislang beharrlich dazu - und wird deswegen auch von der jüdischen Gemeinde angegriffen
Noemi Di Segni ist keine, die vor Kameras und Mikrofone drängt. Jetzt aber hat sich die eher zurückhaltende Präsidentin der Jüdischen Gemeinden in Italien zu Wort gemeldet: um zu kritisieren, dass die Regierung und vor allem Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu den Vorfällen bei einer Gedenkfeier in Rom schweigen, als Hunderte Rechtsextremisten mit gestrecktem Arm den faschistischen Gruß zeigten, in Deutschland Hitlergruß genannt.
Di Segnis Botschaft an die Verantwortlichen in Rom: "Ich appelliere an alle, die ein Regierungsamt bekleiden, diese Tat zu verurteilen." Der Vorfall müsste eingeordnet werden "als eine gefährliche Sehnsucht", sagte Di Segni, und verwies auf die heute notwendige Verantwortung.
Unklares Verhältnis zum faschistischen Erbe
Für Meloni, die ihre politische Karriere in einer neofaschistischen Organisation begonnen hat, ist es eine schmerzhafte Kritik. Seit Beginn ihrer Amtszeit sucht die Ministerpräsidentin demonstrativ die Nähe zur jüdischen Gemeinde, hat mehrfach die Judenverfolgung verurteilt. Jetzt aber sieht sich Meloni mit dem Vorwurf konfrontiert, sie schweige, weil sie immer noch ein unklares Verhältnis zur Geschichte des Faschismus habe.
Die Opposition machte, zum ersten Mal seit Meloni im Amt ist, offensiv die politische Vergangenheit der Ministerpräsidentin zum Thema im Parlament. Elly Schlein, Vorsitzende des sozialdemokratischen PD, klagte an: "Das Schweigen der Ministerpräsidentin Meloni ist peinlich. Sie schafft es nicht, die Vorfälle zu verurteilen." Die Regierungschefin, urteilte Schlein, sei "eine Gefangene ihrer Vergangenheit, von der sie sich weiterhin nicht distanzieren will".
Debatte im Europaparlament beantragt
Die Sozialisten haben beantragt, auch im Europaparlament solle aus Anlass des Vorfalls in Rom über die europaweite Gefahr des Neofaschismus debattiert werden. Die Bilder aus Italiens Hauptstadt, sagt Schlein, erschreckten immer noch, auch mit fünf Tagen Abstand. Hunderte, meist junge Männer im faschistischen Schwarz, die militärisch aufgereiht "presente" (deutsch: anwesend) rufen, wie es im Faschismus üblich war.
Ein gruseliger Rückfall in dunkle Vergangenheit, findet die Sozialdemokratin: "Ein regelrechter Aufmarsch von Hunderten Männern, aufgestellt wie in einer Schlachtreihe." Das seien Bilder, meinte Schlein im Parlament, "die nicht wie aus dem Jahr 2024 wirken, sondern wie aus dem Jahr 1924, voll im faschistischen Regime".
Anzeigen gegen Beteiligte
Der Aufmarsch im römischen Stadtteil Tuscolano war laut Medienberichten von der neofaschistischen Organisation Casapound organisiert - aus Anlass einer Gedenkfeier für neofaschistische Opfer linker Terroristen Ende der 1970er-Jahre. Innenminister Matteo Piantedosi sagte im Parlament, die Polizei habe bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen fünf Mitglieder von Casapound erstattet. Rund 150 weitere Teilnehmer des Aufmarsches seien identifiziert worden, darunter auch Personen aus Deutschland und Russland.
Am Abend hieß es, die Staatsanwaltschaft Rom habe gegen insgesamt 15 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Hunderte zum faschistischen Gruß erhobenen Arme bezeichnete Piantedosi im Parlament als "Gesten und Symbole, die eine Epoche repräsentieren, die von der Geschichte verurteilt wurde".
Diskussionen über Verbote und Gesetzesänderungen
Die Forderung der Opposition, neofaschistische Gruppen in Italien aufzulösen, lehnte Melonis Innenminister ab - und anderem mit dem Hinweis auf die damit verbundenen juristischen Schwierigkeiten und die Vorgängerregierungen, die auch nie etwas unternommen hätten, um diese Organisationen zu verbieten.
Erneut diskutiert wird in Italien darüber, ob die Gesetze zum sogenannten faschistischen Gruß ausreichen. Der gestreckte Arm, in Italien auch römischer Gruß genannt, ist nur strafbar, wenn er in einem Kontext einer Volksverhetzung erfolgt, beispielsweise mit dem Ziel, die faschistische Partei wieder aufzubauen. In den vergangenen Jahren hat es aufgrund dieser Gesetzeslage mehrere Freisprüche gegeben - weil die Richter der Ansicht waren, der faschistische Gruß sei in einem nicht strafbaren Zusammenhang gezeigt worden.
Der Versuch eines jüdischen Abgeordneten des sozialdemokratischen PD vor sechs Jahren, den faschistischen Gruß in Italien ohne Ausnahme zu verbieten, ist gescheitert. Die Gegenrede zum Gesetzesvorschlag hielt damals im Parlament der heutige Senatspräsident und Meloni-Vertraute Ignazio La Russa. Im Laufe seiner Rede streckte er provokativ den Arm zum faschistischen Gruß - und wurde dafür nie belangt.