Beisetzung Nawalnys "Ich konnte nicht anders - ich musste kommen"
Trotz eines großen Polizeiaufgebots haben sich in Moskau Tausende Bürger von Alexej Nawalny verabschiedet. Vor einer Kirche skandierten sie seinen Namen und sprachen von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Bewegend - mit diesem einen Wort ist das zusammenzufassen, was in Moskau passierte. Zu Hunderten, vielleicht zu Tausenden drängten sich die Menschen über den Borisowskaja-Friedhof im Südosten der russischen Hauptstadt. Manche schlugen ein Kreuz oder verneigten sich vor dem offenen Grab. Die meisten warfen Erde hinein - die letzte Ehre für den Kremlkritiker Alexej Nawalny.
Viele derer, die gekommen waren, mussten dafür Ängste überwinden, so wie diese Frau:
Ich konnte nicht anders. Ich musste kommen, weil ich glaube, dass ich dieser Person meinen Tribut zollen muss. Es war sehr beängstigend. Wir kamen früher an, standen und versteckten die Blumen vor den Kameras. Aber jetzt verstehe ich, dass das getan werden muss, dass man reden muss.
Vor der eigentlichen Beisetzung Nawalnys war ein Trauergottesdienst für ihn gehalten worden. Im engsten Familien- und Freundeskreis, in einer Kirche etwa einen halbstündigen Spaziergang vom Friedhof entfernt.
Verwandte und Freunde von Alexej Nawalny in einer Kirche in Moskau.
Kontrollen und Überwachungskameras
Vor der Kirche standen einander Sicherheitskräfte und Trauergäste gegenüber. Zeitweilig wurden 40 Polizeifahrzeuge gezählt, von Pkw bis Mannschaftswagen. Es gab Ausweiskontrollen, Überwachungskameras an den Laternenmasten, die die Zugänge zur Kirche säumen.
Ich bin gekommen, weil ich es für nötig halte, dass jeder, der Alexej kannte, kommt und sich verabschiedet. Ich betrachte dies als einen persönlichen Verlust. Es ist sehr schwer, das durchzustehen. Ich habe keine Angst. Keine noch so große Angst kann die Trauer über den Verlust dieser Persönlichkeit übersteigen.
Die Menschen vor der Kirche skandierten "Liebe ist stärker als Angst" oder "Alexej, Alexej". Die Trauer um Nawalny schlug zeitweilig um in politische Bekenntnisse.
Polizisten beobachten zahlreiche Menschen, die in Richtung des Borisowskaja-Friedhofs in Moskau zur Beerdigung Nawalnys gehen.
Auch Nadjeschdin nimmt Abschied
Einige europäische Diplomaten wie der deutsche Botschafter erwiesen Nawalny ebenfalls das letzte Geleit. Und auch russische Politiker kamen, solche, die wie Nawalny in Opposition zum Kreml stehen.
Boris Nadjeschdin zum Beispiel, der als Pazifist bei der Präsidentschaftswahl in zwei Wochen gegen Präsident Wladimir Putin antreten wollte, aber nicht kandidieren durfte. "Wir sind an dem Ort, an dem man sich von Alexej verabschiedet. Viele Menschen sind da, es sind mehrere Tausende", sagt er. Einerseits sei der heutige Tag tragisch: "Wir nehmen Abschied von der Persönlichkeit, die zum Symbol dieser Epoche geworden ist. Andererseits besteht die Hoffnung, dass am Ende alles gut wird und Russland friedlich und frei sein wird, so wie Alexej davon träumte."
Kein Kommentar vom Kreml
Der Kreml wollte zur Person Nawalny übrigens keinen Kommentar abgeben. Auf die Bitte eines Journalisten, ob er Nawalny als politische Figur einordnen könnte, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nur, nein, das könne er nicht.
Der Kremlkritiker Alexej Nawalny ist bestattet. Seine Ideale, seine Träume von einem nicht korrupten Russland, von Freiheit und Gerechtigkeit sind es nicht. Das haben die Trauernden dem Kreml demonstriert.