Urteil aus Österreich Bei Shitstorms mitposten kostet Bußgeld
Netzexperten halten das Urteil für wegweisend: Österreichs Oberster Gerichtshof hat eine Strafe gegen einen Facebook-Nutzer verhängt, der bei einem Shitstorm rechtswidrige Falschbehauptungen mitverbreitete.
Es habe gedauert, aber endlich habe ein oberstes Gericht wirklich verstanden und vor allem in einem Letzte-Instanz-Urteil schriftlich formuliert, was ein "shitstorm" in den Sozialen Medien wirklich ist, sagt Ingrid Brodnig, österreichische Journalistin, die sich seit Jahren mit dem Problem "Hass im Netz" befasst - und mit der Frage, wie sich Opfer dagegen wehren können. Einer hat sich jetzt erfolgreich gewehrt und die Sache bis zum Obersten Gerichtshof in Österreich durchgefochten.
Auf Facebook war über ihn die Behauptung verbreitet worden, er habe einen unschuldigen 82-Jährigen zu Boden gerissen und stundenlang verhört. "Dieser Polizist ist schuldig!" stand unter einem Foto seines Gesichts.
"Dieser Polizist" war im Einsatz auf einer Corona-Leugner-Demonstration in Tirol, im Februar 2021. Er riss aber nachweisbar keinen 82-Jährigen zu Boden, nahm niemanden fest und verhörte niemanden. Er war auf dieser Demo, aber Teil der Absperrkette - dabei wurde er gefilmt.
Das Video und die erwiesenermaßen falschen Beschuldigungen machten auf Facebook die Runde, viele reagierten, unter dem Post sammelten sich Beschimpfungen und Beleidigungen.
Einer von 406 Shitstorm-Teilnehmern angeklagt
406 Personen, die da mitmachten, konnte der betroffene Polizist ausfindig machen, einen verklagte er. Einen, der das Posting geteilt hat und dabei - so der OGH - "in Kauf" nahm, "ein Bild des Klägers ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt in Umlauf zu bringen".
Die Strafe dafür: 3.000 Euro. Das Wegweisende daran ist, wie Experten erklären: Der eine Beklagte haftet für alle, erklärt Michael Rami, einer der renommiertesten Medienanwälte Österreichs und Verfassungsrichter, im ORF:
Man muss wissen: Wenn man Inhaber eines Profils ist auf Facebook, Instagram, TikTok oder wo auch immer, dann haftet man für den Inhalt, den man dort verbreitet. Wenn jemand blind fremde Inhalte teilt oder weiterverbreitet, mit denen die Rechte eines anderen verletzt werden, dann haftet man. Und wenn man Pech hat, haftet man sogar für den gesamten immateriellen Schaden, der aus dem gesamten Shitstorm entstanden ist.
Expertin hofft auf Aufklärungseffekt
Damit, so die Netz-Expertin Brodnig, habe der Oberste Gerichtshof richtig definiert, dass sich ein Shitstorm eben "aus der Summe der einzelnen Teile" ergebe und genau diese "Flut an Gehässigkeiten" das Belastende ausmache. Und: dass sich niemand herausreden kann, er sei nur einer von vielen gewesen. Auch der einzelne haftet - in diesem Fall für alle.
Das Urteil fiel schon Ende April, aber erst jetzt liegt die schriftliche Begründung vor, die vieles bewegen kann. Aber auf jeden Fall ist es eine deutliche Warnung an alle, die gern dabei sind, wenn unbewiesene Behauptungen auf Social Media für eben mal Hass ablassen missbraucht werden.
Abgesehen von der - in diesem Fall eher geringen - Geldstrafe, hofft die Shitstorm-Expertin Brodnig auf den Aufklärungseffekt. Es sei schon mal gut, wenn die Leute erfahren: "Hoppla - mir kann was passieren, wenn ich im Rahmen eines Shitstorms etwas Rechtswidriges poste." Das gilt jetzt - erstmal in Österreich.