EU-Gipfel in Prag Scholz verteidigt "Doppel-Wumms"
Viel Kritik hat Kanzler Scholz von seinen Kollegen zu hören bekommen. Der deutsche 200-Milliarden-Euro-"Doppel-Wumms" zur Entlastung der Verbraucher wurmt vor allem Länder mit wenig Geld. Scholz versuchte zu beschwichtigen.
Eigentlich wollten die EU-Spitzen am frühen Nachmittag fertig sein, aber daraus wurde nichts. Zu unterschiedlich die Vorstellungen über Auswege aus der Energiekrise. 27 Staats- und Regierungschefs und fast 27 Ideen für Lösungen.
Umstritten bleibt: der deutsche Doppel-Wumms in Höhe von 200 Milliarden Euro als Entlastung für Verbraucher und Unternehmen. Viele Länder könnten sich so eine Finanzspritze nicht leisten, das kritisieren einige EU-Partner, vor allem hoch verschuldete Länder wie Belgien und Italien.
Morawiecki: "deutscher Egoismus"
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ging noch einen Schritt weiter, er sprach von "deutschem Egoismus", und gestern sogar von einem "Diktat Deutschlands". Deutsche Unternehmen hätten einen Vorteil, wenn sie zu günstigeren Energiepreisen produzieren könnten.
Unterstützung für den deutschen Weg kam dagegen von anderen westeuropäischen Ländern. Marc Rutte, der niederländische Regierungschef, sprach von einer völlig unangemessenen Kritik an der Bundesregierung. "Das ist eindeutig etwas, was die nationalen Regierungen entscheiden können, das ist nationale Kompetenz," sagte Rutte. Sein Land habe das auch gemacht, Frankreich mache das seit Jahren und sorge durch staatliche Hilfen dafür, dass die Energiepreise relativ gering blieben, so Rutte. "Das ist absolut das Recht der Regierungen!"
Scholz: Missverständnisse ausräumen
Tiefer hängen, lautet dann auch die Antwort des Bundeskanzlers. Gemessen an der Größe der deutschen Volkswirtschaft seien die 200 Milliarden Euro angemessen, zumal sie gestreckt werden sollen über zwei Jahre. "Wir bewegen uns mit unseren Entscheidungen im Rahmen dessen, was auch andere in Europa machen", erklärte Scholz.
Er habe im Kreis der EU-Chefs das Paket noch einmal erläutert. "Das war wichtig und hat sicherlich auch dazu beigetragen, Missverständnisse auszuräumen."
Hilfsprogramm für ganz Europa?
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach Deutschland zwar nicht direkt an, warnte aber vor Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt. "Alle Unternehmen müssen die gleichen Chancen haben, am Binnenmarkt teilzunehmen."
Beim Prager Gipfel wurde deutlich, dass es den Kritikern Deutschlands nicht darum geht, den deutschen Doppel-Wumms zu verhindern. Sondern darum, ein ähnliches Hilfsprogramm, dann aber für ganz Europa, aufzulegen - finanziert über gemeinsame, europäische Schulden - also nicht bezahlt aus den nationalen Haushalten.
Vorbild aus Corona-Krise
Ursula von der Leyen will das Problem lösen, indem ein neues Hilfsprogramm für alle EU-Länder aufgelegt wird. Dafür gibt es ein Vorbild aus der Corona-Krise: Damals wurde ein Kurzarbeitsprogramm gestartet, die EU nahm Kredite auf und gab sie an die Mitgliedsstaaten weiter. Der Vorteil soll auch jetzt wieder zünden: Europa könnte wegen der hohen Bonität günstige Kredite aufnehmen und diese auch an die hoch verschuldeten Mitgliedsländer weitergeben, die an den Finanzmärkten nur deutlich kostspieligere Kredite besorgen könnten.
Gaspreisdeckel weiter umstritten
Und noch ein Problem blieb am Nachmittag ungelöst: der umstrittene Gaspreisdeckel. Viele Länder fordern ihn. Sie erhoffen sich davon, dass die außereuropäischen Gaslieferanten weniger Geld verlangen können. Das könnte zu einer Entlastung der Bürger und Unternehmen führen.
Diese Hoffnung werde sich nicht erfüllen, sagen die Kritiker, darunter Deutschland und auch die Brüsseler Kommission. Man fürchte, dass die Gaslieferanten sich dann andere Kunden suchen. Umweltverbände und Wissenschaftler warnen noch aus einem anderen Grund: Wenn der Gaspreis massiv runtersubventioniert würde, dann passe das nicht zum Ziel, Gas einzusparen - es fehlten dann einfach die Anreize.