Sarkozy vor Gericht Der Ex-Präsident und die Gaddafi-Millionen
Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy sitzt wieder einmal auf der Anklagebank. Für seinen Wahlkampf im Jahr 2007 soll er 50 Millionen Euro vom Gaddafi-Regime erhalten haben. Nun droht ihm eine lange Haftstrafe.
Die Geschichte klingt fast wie ein Spionagefilm. So unglaublich, dass Fabrice Arfi und seine Kollegen zuerst kaum glauben konnten, worauf sie da gestoßen waren. Arfi ist Journalist beim Investigativ-Portal Médiapart. "Das, was wir die Sarkozy-Gaddafi-Affäre nennen, begann für uns mit einer Mail, die wir 2011 erhalten haben", erinnert er sich. Darin hieß es demnach: "Vielleicht haben wir etwas über jemanden, das Sie interessiert."
Dieses "etwas" sind Festplatten: Das persönliche, digitale Archiv eines mutmaßlichen Mittelsmannes dieser Affäre. Unmengen von Daten, die zusammen folgenden Verdacht ergeben: Nicolas Sarkozy soll seinen Präsidentschaftswahlkampf 2007 illegal finanziert haben - mit Geldern aus Libyen.
Ermittlungsverfahren eingeleitet
Arfi und seine Kollegen graben, prüfen und veröffentlichen ab 2011 ihre Recherchen. Zwei Jahre später leitet die französische Justiz ein Ermittlungsverfahren ein. Nach zehn Jahren Ermittlungen stehen nun ein ehemaliger Präsident und drei seiner ehemaligen Minister vor Gericht - wegen des Vorwurfs der Korruption und der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Die libysche Regierung unter Muammar al-Gaddafi soll im Dezember 2006 zugestimmt haben, etwa 50 Millionen Euro in Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf zu stecken - im Tausch für diplomatische Rehabilitierung, wirtschaftliche Zusammenarbeit und juristische Gefälligkeiten.
Seit 2005 vorbereitet?
Dieser regelrechte “Korruptionspakt” soll ab 2005 vorbereitet worden sein, wie die Recherchen von Médiapart und die Arbeit der Untersuchungsrichter nahelegen. Sarkozy war damals Innenminister; Teile seines Wahlkampfteams sollen nach Libyen gereist sein.
"Es gab geheime Treffen zwischen den Emissären von Nicolas Sarkozy und den Vertretern von Muammar al-Gaddafi - auch mit Terroristen", sagt Arfi. "Unter anderem mit einem Mann, der wegen des Anschlags auf ein Passagierflugzeug im Jahr 1989 in Frankreich verurteilt und von der französischen Justiz gesucht wurde." Trotzdem hätten die beiden engsten Mitarbeiter von Sarkozy ihn 2005 heimlich in Libyen getroffen - im Abstand von drei Monaten.
Laut den Untersuchungsrichtern können diese Treffen nicht ohne Sarkozys Wissen und seine Zustimmung abgelaufen sein.
Anwalt von Sarkozy hält Anklage für nicht stichhaltig
Christophe Ingrain ist einer der Anwälte, die den Ex-Präsidenten in diesem Fall vertreten. Er weist den Vorwurf eines Korruptionspaktes entschieden zurück - es habe nämlich keine Gegenleistungen gegeben. "Libyen brauchte Frankreich nicht, um auf der internationalen Bühne wieder Fuß zu fassen", sagt er.
"Diese 'diplomatische Rehabilitierung' scheint eines der wichtigsten Argumente der Anklage zu sein, wenn es um Gegenleistungen geht." Doch Libyen sei schon vorher auf die internationale Bühne zurückgekehrt, mithilfe aller westlichen Staaten vor allem der Italiens, sagt Ingrain. Italien sei seit 2004 Libyens wichtigster Wirtschaftspartner.
Außerdem gebe es keine handfesten Beweise für die mutmaßliche, illegale Wahlkampffinanzierung, so Sarkozys Anwalt Ingrain. Die Anklage sei nicht stichhaltig. "Es gibt keine Spur von illegalen Geldern", sagt er. "Es gab keine illegale Finanzierung."
Ex-Präsident weist Vorwürfe zurück
Auch Sarkozy hat die Vorwürfe immer zurückgewiesen, zum Beispiel in einem Fernsehinterview 2018. Journalist Arfi von Médiapart verteidigt seine Arbeit - und die der Justizbehörden. Der Umfang des belastenden Materials sei geradezu gigantisch. "Es gibt Unmengen an Dokumenten, Berichten, Vermerken, E-Mails, Überweisungen, Treffen und Kalendernotizen", sagt Arfi."
Die Libyen-Affäre ist nur eines von mehreren Gerichtsverfahren, in denen Sarkozy verurteilt wurde oder in denen noch gegen ihn ermittelt wird. Die Anhörungen sollen bis April dauern.