Streit um britisches Migrationsgesetz Kommt Sunak noch einmal davon?
Dem rechten Flügel der regierenden Tories geht das Gesetz von Premier Sunak, das Asylverfahren in Ruanda ermöglichen soll, nicht weit genug. Heute Abend stimmt das britische Unterhaus darüber ab. Droht die nächste Regierungskrise?
Das neue Jahr startet für Premierminister Rishi Sunak wie das alte aufgehört hat: mit einem "Psychodrama" in seiner Partei. Heute steht am Abend die Abstimmung zu einem Gesetz an, das Ruanda als sicheres Drittland definiert und Abschiebungen in das afrikanische Land endlich ermöglichen soll. Doch vielen Abgeordneten in der Konservativen Partei ging das nicht weit genug. Sie brachten Änderungsanträge ein, darüber wurde gestern abgestimmt.
Etwa 60 Abgeordnete positionierten sich gegen das Gesetzespaket der eigenen Regierung - jedoch ohne Erfolg. In den Abstimmungen lehnte die Mehrheit der Abgeordneten die Vorschläge ab.
Gegen die Regierungspolitik hatten auch zwei stellvertretende Parteivorsitzende der Konservativen gestimmt und waren deswegen auch zurückgetreten. Lee Anderson war einer von ihnen. Auf "GB News" begründete er den Rücktritt und warum aus seiner Sicht strengere Maßnahmen nötig sind:
Jeder, der illegal hier ankommt, soll kein Recht haben, Asyl zu beantragen oder Berufung einzulegen. Und niemand soll einfach untertauchen können.
Ein unerfülltes Versprechen
Angeführt hatte die Revolte Robert Jenrick. Er ist Abgeordneter und ehemaliger Migrations-Staatssekretär. Er war von seinem Regierungsamt bereits Anfang Dezember 2023 zurückgetreten, weil ihm die Vorschläge der Regierung nicht weit genug gingen. "Dieses Gesetz bringt nichts", sagte er im Unterhaus. Jenrick befürchtet, dass durch das neue Gesetz nur einige symbolische Flüge Richtung Ruanda abheben könnten, aber eben nicht die Abschreckung aufgebaut wird, die in seinen Augen nötig wäre, um die Zahl derer, die nach Großbritannien fliehen, zu reduzieren.
Weniger Migration, das ist eines der wichtigsten Versprechen der konservativen Regierung. Doch die jüngst veröffentlichten Zahlen zur Netto-Migration zeigen: Es ist eben ziemlich kompliziert, dieses Versprechen zu erfüllen.
Die britische Wirtschaft, das Gesundheitswesen beispielsweise, ist auf Zuwanderung angewiesen. Flüchtlinge kommen nach wie vor über den Ärmelkanal, wobei es schon deutlich weniger sind als 2022.
Der EGMR soll keine Rolle mehr spielen
Im Kern wollen die Rebellen, dass beispielsweise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Ruanda-Flüge nicht stoppen kann. Sie argumentieren, dass die Mehrheit der britischen Bevölkerung hinter dieser Politik stehe. Was so eindeutig durch mehrere Umfragen nicht zu belegen ist.
In einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov sagten 22 Prozent der Befragten, die geplante Ruanda-Politik solle so umgesetzt werden. 17 Prozent würden gerne Änderungen daran vornehmen, wobei unklar ist, ob das heißt: verschärfen oder abschwächen. 36 Prozent sprachen sich deutlich gegen die Pläne aus, 25 Prozent hatten sich noch keine Meinung gebildet.
Auch eine Frage der Gewaltenteilung
Labour lehnt das Gesetz ab und wird heute dagegen stimmen. Der Abgeordnete Stephen Kinnock, der für die Fraktion in Migrationsfragen spricht, kritisierte:
Diese Politik ist viel zu teuer, funktioniert nicht und verstößt gegen Gesetz und unsere Werte. Wir wollen die Gewaltenteilung aufrecht erhalten.
Was Kinnock hier anspricht: Britische Gerichte sollen mit dem Gesetz abgehalten werden, in Asylverfahren einzugreifen, obwohl es massive Bedenken über die Verfahren und die Lage in Ruanda gibt. Jüngst hatten die britischen Behörden Personen aus Ruanda Asyl gewährt.
Was siegt - Prinzipientreue oder die Angst vor Wahlen?
29 Abweichler bei den Tories würden reichen, um Sunak eine empfindliche Niederlage zuzufügen. Doch trotz des Widerstands gegen die Pläne der Regierung auch aus den eigenen Reihen dürften nicht alle konservativen Gegner des Gesetzes im Parlament dagegenstimmen, sodass Sunak wahrscheinlich seine Mehrheit bekommt.
Dafür gibt es zwei Gründe: Dieses Gesetz ist aus Sicht konservativer Abgeordneter besser als keines. Und eine Regierungskrise mit einer Suche nach einem neuen Parteichef oder vorgezogenen Neuwahlen, bei denen die Tories nach aktuellen Umfragen dramatische Verluste erleiden würden, will auch keiner.
Sollten die Abgeordneten im Unterhaus also zustimmen, geht der Gesetzesvorschlag zurück ins Oberhaus. Dort haben die Konservativen keine Mehrheit und es gibt zahlreiche kritische Stimmen zu den Plänen der Regierung. Die Debatte, das "Psychodrama", ist längst nicht vorbei.