Baerbock zur Ukraine An Kiews Seite - "so lange es nötig ist"
Außenministerin Baerbock rechnet damit, dass die russische Invasion gegen die Ukraine länger andauert. Sie sicherte in einem Interview Kiew längere militärische und finanzielle Unterstützung zu.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat der Ukraine im Krieg gegen Russland die langfristige Unterstützung Deutschlands auch mit schweren Waffen zugesichert. "Natürlich würde ich mir wünschen, dass der Krieg schnellstmöglich vorbei ist, aber wir müssen leider davon ausgehen, dass die Ukraine auch im nächsten Sommer noch neue schwere Waffen von ihren Freunden braucht", sagte die Grünen-Politkerin der "Bild am Sonntag".
Baerbock geht von längerem Krieg aus
"Für mich ist klar: Die Ukraine verteidigt auch unsere Freiheit, unsere Friedensordnung und wir unterstützen sie finanziell und militärisch - und zwar so lange es nötig ist. Punkt." Baerbock geht von einem jahrelangen Krieg in der Ukraine aus. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass dieser Krieg noch Jahre dauern könnte.
"Denn leider hat die russische Regierung von ihrer fixen Idee, die Ukraine und ihre Menschen zu unterwerfen, nicht abgelassen", sagte sie. Allerdings sei "die Wahnvorstellung des russischen Präsidenten, die Ukraine in kürzester Zeit einzunehmen", nicht aufgegangen. Der Mut der Ukrainer und auch die internationalen Waffenlieferungen hätten dazu geführt, dass die russischen Soldaten ihre Paradeuniformen für den Sieg nicht auspacken konnten, so Baerbock. "Wir werden alles tun, damit das auch niemals Realität wird."
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Die Ministerin stellte sich auch hinter die Ansprüche der Ukraine auf eine Rückeroberung der von Russland annektierten Halbinsel Krim. "Auch die Krim gehört zur Ukraine. Die völkerrechtswidrige Annexion von 2014 hat die Welt nie anerkannt", hob sie hervor.
Sie wies zudem Forderungen etwa von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), die Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen zu nutzen, scharf zurück. "Ich frage mich manchmal, ob einige nicht verstanden haben, dass das kein Spiel mit Regeln ist und kein plötzlicher Lieferengpass", sagte sie.
"Die Gaspipelines aus Russland sind schon lange keine normalen Leitungen mehr, sondern Waffen in einem hybriden Krieg", sagte Baerbock. "Wenn Putin nicht durch Nord Stream 1 liefert, warum sollte er durch Nord Stream 2 liefern? Durch Nord Stream 1 fließt doch nicht zu wenig Gas, weil die Leitung kaputt wäre, sondern weil Putin es nicht will", hob die Grünen-Politikerin hervor.
Lage am AKW Saporischschja bleibt angespannt
In der Ukraine bleibt die Lage um das immer wieder beschossene und von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja angespannt. Die ukrainischen Betreiber von Saporischschja warfen Russland vor, die Anlage innerhalb eines Tages mehrfach beschossen zu haben. Moskau wiederum bezichtigte Kiew, verantwortlich zu sein. Laut des AKW-Betreiberkonzerns Enerhoatom ist die Infrastruktur des AKW inzwischen beschädigt. Es bestehe die Gefahr, das radioaktive Stoffe und Wasserstoff freigesetzt würden. Auch die Gefahr eines Brandes sei hoch.
Mit insgesamt sechs Reaktorblöcken ist Saporischschja das größte Atomkraftwerk Europas. Im März wurde es von russischen Truppen erobert. Das Personal kommt aus der Ukraine. Seitdem werfen sich Moskau und Kiew immer wieder gegenseitig Beschuss der Anlage vor. International wachsen die Sorgen vor einer Atomkatastrophe. Alle Appelle, unabhängige Experten aus dem Ausland in das Kraftwerk zu lassen, brachten bislang keinen Erfolg.
Selenskyj würdigt ukrainische Luftstreitkräfte
In einer am Abend in Kiew verbreiteten Videobotschaft hob der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Rolle der Luftwaffe seines Landes im Krieg gegen Russland hervor. "Russland hatte gehofft, unsere Luftwaffe in den ersten Stunden der großen Invasion zu zerstören. Und natürlich war das für den Feind ein völlig verrücktes Ziel - wie viele andere Ziele auch", sagte Selenskyj in seiner Videobotschaft. Die Piloten seien erstklassig und würden auch von anderen Staaten für ihr Können gelobt.
Selenskyj unterstrich einmal mehr, dass der Kampf um die Freiheit und die Unabhängigkeit des Landes nur gemeinsam gelingen könne. "Es ist eine gemeinsame Arbeit. Und es ist ein Ergebnis, das dank der Stärke und der Solidarität aller erreicht wird, die Freiheit schätzen und die Tyrannei nicht tolerieren", sagte mit Blick auch auf andere Staaten, die die Ukraine unterstützen." Freiheit gewinnt immer." Selenskyj kündigte an, dass auch Unterstützer der Ukraine im Ausland geehrt werden sollten.
Russland war am 24. Februar in das Nachbarland einmarschiert. Am vergangenen Mittwoch dauerte der Krieg genau ein halbes Jahr. Am selben Tag feierte das Land auch 31 Jahre Unabhängigkeit.