Mehrere Verletzte gemeldet Schwere russische Raketenangriffe auf Kiew
Nach mehreren Wochen verhältnismäßiger Ruhe hat Russland wieder die ukrainische Hauptstadt angegriffen: Mehr als 30 Geschosse wurden nach ukrainischen Angaben auf Kiew abgefeuert, es gibt offenbar mehrere Verletzte.
Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist in der Nacht und am frühen Morgen erneut Ziel russischer Raketenangriffe geworden. In der Stadt waren Explosionen zu hören - Augenzeugen berichteten auch von Explosionen von Flugabwehrraketen.
Die ukrainischen Streitkräfte meldeten den Abschuss von mindestens 30 Raketen. Nach mehreren Wochen Unterbrechung setzte Russland nach Angaben der ukrainischen Armee wieder strategische Bomber ein, die Flugkörper größerer Reichweite starteten - auch schwer abzufangende "Kinschal"-Raketen wurden demnach eingesetzt.
"Nach einer Pause von 44 Tagen startete der Feind einen weiteren Raketenangriff auf Kiew", erklärte der Chef der Kiewer Militärverwaltung, Serhij Popko. Die Stadt sei aus verschiedenen Richtungen beschossen worden. Nach Angaben von Rettungskräften und der Militärverwaltung wurden bei den Angriffen mindestens 13 Menschen verletzt.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko informierte über herabgestürzte Raketenteile in mehreren Stadtteilen - getroffen worden sei auch ein Kindergarten. Mehrere Autos und ein Umspannwerk seien in Brand geraten. Menschen suchten in der U-Bahn der Hauptstadt Schutz, wie auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken zu sehen war.
Selenskyj fordert mehr Flugabwehrraketen
"Dieser Terror geht Tag und Nacht weiter", schrieb der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf seinen Social-Media-Kanälen. Es sei möglich, diesen durch "globalen Zusammenhalt "zu beenden, indem die Ukraine weitere Hilfe bei Luftverteidigungssystemen bekomme. "Die russischen Terroristen haben keine Raketen, welche den Schutz der 'Patriot' und anderer moderner Systeme umgehen können", schrieb Selenskyj weiter. "Patriot" ist ein in den USA entwickeltes Flugabwehrsystem, das von vielen NATO-Staaten verwendet wird und auch an die Ukraine geliefert wurde.
Tote in Charkiw
Angespannt bleibt die Lage im russisch-ukrainischen Grenzgebiet in den Regionen Belgorod und Charkiw. Hier gehen die gegenseitigen Angriffe weiter. In Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, tötete eine russische Rakete am Mittwoch mindestens fünf Menschen.
Präsident Selenskyj äußerte sich in seiner abendlichen Videoansprache bestürzt: "Seit mehr als zwei Jahren sind Charkiw und die Region schrecklichen russischen Angriffen ausgesetzt", sagte er. Aber auch die tödliche Attacke vom Mittwoch werde nur bewirken, dass die Ukraine noch energischer reagiere.
Krisenmaßnahmen für Belgorod angekündigt
Im russischen Gebiet Belgorod waren nach Angaben des Gouverneurs der Region, Wjatscheslaw Gladkow, am Mittwoch zwei Männer ums Leben gekommen. In den frühen Morgenstunden meldete er zwischenzeitlich erneut Raketenalarm. Für sein Gebiet kündigte er Krisenmaßnahmen an. Weil sich die Versorgung verschlechtere, sollten Lebensmittel ausgegeben werden.
In sieben grenznahen Kreisen würden Kontrollposten eingerichtet, die den Zugang zu Ortschaften regeln. In diesen Kreisen und in der Gebietshauptstadt Belgorod sollten auch die Schulferien vorzeitig beginnen. Ohnehin sollen aus der Region etwa 9.000 Kinder in Sicherheit gebracht werden, die ersten 1.200 von ihnen schon am Freitag.
Offenbar pro-ukrainische Kämpfer auf russischem Boden
Am Mittwoch meldeten russische Medien unter Berufung auf das Verteidigungsministerium, russische Streitkräfte hätten ukrainische Truppen aus dem Grenzdorf Kosinka im Belgoroder Gebiet vertrieben.
Seit Tagen wird die Region von pro-ukrainischen Kräften angegriffen - unter ihnen sind nach eigenen Angaben auch bewaffnete Gruppen russischer Kreml-Gegner - Legion Freiheit für Russland, das Sibirische Bataillon und das Russische Freiwilligenkorps. Die Gruppen teilten auf ihren Kanälen bei Telegram Fotos und Videos aus Kosinka und dem umliegenden Gebiet.
Russland rückt offenbar in der Ostukraine vor
Gleichzeitig rückten russische Truppen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in der Ostukraine weiter vor. Soldaten hätten demnach das Dorf Tonenke eingenommen, das etwa zehn Kilometer westlich der Stadt Awdijiwka liegt. Sie war bereits im Februar nach monatelangen blutigen Kämpfen von den russischen Truppen eingenommen worden.
Russland kann somit offenbar weiter Erfolge vermelden, während es der ukrainischen Armee an Munition fehlt. Laut dem Telegram-Kanal Rybar, welcher der russischen Armee nahesteht und mehr als 1,2 Millionen Abonnenten zählt, versuchen die russischen Truppen, in dem Gebiet das linke Ufer des örtlichen Flusses zu erreichen, um eine Offensive in Richtung der Dörfer Semeniwka und Umanske zu starten.