
Ukraine Aufgeschmissen ohne Starlink?
Mit Drohnen wehrt sich die Ukraine gegen die russischen Angreifer, doch dafür braucht sie stabile Internetverbindungen. Die liefert bislang das Starlink-Netzwerk von Elon Musk. Doch kann sich die Ukraine darauf verlassen?
Eroberung Kiews in ein paar Tagen und Unterwerfung der Ukraine in wenigen Wochen: Als Russland das Nachbarland am 24. Februar 2022 vollumfänglich angriff, unterschätzte es in seiner Einschätzung des Kriegsverlaufs fundamental den Widerstandswillen der Ukrainer und ihrer Armee. Und es rechnete auch nicht mit dem Ausmaß an internationaler Unterstützung, die der Ukraine umgehend zuteil wurde.
Dazu gehörte nicht zuletzt die Hilfe, die das angegriffene Land durch Starlink bekam, das Satellitennetzwerk des Unternehmens SpaceX von Elon Musk. Bis heute spielt es eine wichtige Rolle im Verteidigungskampf der Ukraine.
Was Starlink auszeichnet: Es ermöglicht in sehr abgelegenen Regionen, in denen die Kommunikationsinfrastruktur nicht mehr funktioniert, einen Zugang zum Internet. Dafür werden unter anderem sogenannte Terminals benötigt, die eine Verbindung zum nächstgelegenen Satelliten herstellen.
Von diesen Fähigkeiten haben die Ukrainer in den vergangenen Jahren immens profitiert. Ob sie sich auch in Zukunft darauf verlassen können, ist aber zweifelhaft. Denn angeblich wird der Zugang zu Starlink mittlerweile von US-Vertretern auch als Druckmittel eingesetzt, um die Ukraine zu Zugeständnissen gegenüber Russland zu bewegen und sie zu einem Vertrag mit den USA über den Zugang zu wertvollen Rohstoffen zu drängen.

Für den Einsatz einer Satellitenschüssel des Starlink-Netzwerkes braucht es manchmal nur ein einfaches Autodach - wie hier in der umkämpften Region Donezk.
Schnelle Lieferung nach Kriegsbeginn
Die Verknüpfung - Kommunikation gegen Gegenleistung - war 2022 noch nicht abzusehen. Da Russland in den ersten Kriegstagen auch die Infrastruktur der Ukraine schwer beschädigt hatte, wandte sich die ukrainische Führung am fünften Kriegstag an SpaceX und bat um die Bereitstellung von Terminals, die eine Kommunikation über die Satelliten des Starlink-Netzwerkes ermöglichen würden.
Schon zwei Tage später teilte der stellvertretende ukrainische Ministerpräsident Mychajlo Fjodorow mit, die ersten Terminals seien im Land eingetroffen. Auf Twitter (heute X) veröffentlichte er ein Bild, das einen Lkw mit Starlink-Terminals zeigte und bedankte sich bei Musk. "You are most welcome", antwortete der SpaceX-Besitzer.
Unverzichtbar für den Drohneneinsatz
Starlink ermöglichte es damit nicht nur der Bevölkerung, den Kommunen und Behörden, weiter miteinander zu kommunizieren, sondern auch dem Militär. Inzwischen sollen rund 42.000 Starlink-Terminals im Land stationiert sein, schrieb das Online-Portal Kyiv Independent im vergangenen Jahr.
Dadurch kann die ukrainische Armee auch in entlegenen Gebieten Informationen austauschen und vor allem im großen Stil Drohnen einsetzen - das derzeit wichtigste Kampfmittel der ukrainischen Armee.
Die Wissenschaftlerin Juliana Süß von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärte der Nachrichtenagentur AFP, die Ukraine setze zum Teil relativ simple Drohnen ein, die über eine von Starlink ermöglichte sichere Internetleitung über Programme wie Zoom Teams geflogen werden könnten.
Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung mit den Worten, die Ukraine hänge förmlich von Starlink ab - das Land selbst sehe in dem Netzwerk seinen "Polarstern". Die Ukraine-Expertin Melinda Haring wird von Reuters mit den Worten zitiert, der Zugang zu Starlink sei "essenziell" für den Drohnenkrieg der Ukraine. Musk bezeichnete Starlink seinerseits als "kommunikatives Rückgrat" der Ukraine.
Wer bezahlt die Terminals?
Einer der heiklen Aspekte der Starlink-Hilfe war bald die Finanzierung der Terminals und ihres Betriebs. Im September 2022 wandte sich SpaceX an das US-Verteidigungsministerium und teilte mit, man sei nicht in der Lage, der Ukraine weitere Terminals zur Verfügung zu stellen oder ihren Betrieb auf unbestimmte Zeit zu finanzieren.
Nach längeren Verhandlungen einigten sich das Verteidigungsministerium und SpaceX über die Finanzierung, Details wurden nicht bekannt. Allerdings sprangen auch andere Staaten ein. So finanziert Polen seit dem vergangenen Jahr rund 20.000 Terminals. Die Finanzierung sei bis September dieses Jahres gesichert, teilte die polnische Regierung mit.
Die Grenzen von Starlink
Doch der Einsatz von Starlink ist nicht überall möglich. So kann die ukrainische Armee außerhalb der Landesgrenzen offenbar nicht auf das Netzwerk zurückgreifen - zum Beispiel in der russischen Region Kursk, wo die ukrainischen Streitkräfte im vergangenen Jahr eine Gegenoffensive gestartet haben.
Und Starlink beachtet offenbar auch, welche Regionen Russland schon unter Kontrolle gebracht oder annektiert hat. 2023 teilte Musk mit, er habe im Vorjahr eine Bitte der Ukraine abgelehnt, das Netzwerk über der Hafenstadt Sewastopol auf der Krim zu öffnen, um der ukrainischen Armee einen Angriff auf die damals dort stationierten Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte zu ermöglichen.
Zugleich haben Musk und andere Vertreter von SpaceX immer wieder den defensiven Charakter des Einsatzes von Starlink betont. 2023 unterstrich Musk auf X, man werde keine Eskalation unterstützen, "die zum 3. Weltkrieg führen könnte". Und SpaceX-Präsidentin Gwynne Shotwell sagte im Februar 2023, es sei nie Absicht des Unternehmens gewesen, Starlink für offensive Zwecke einzusetzen.
Wie verlässlich ist Musks Zusage?
Der Bezug auf einen möglicherweise von der Ukraine ausgelösten, weltumspannenden Krieg wird auch in diesen Tagen wiederhergestellt - nun von US-Präsident Donald Trump. In dem schon jetzt legendären Wortgefecht im Weißen Haus Ende Februar herrschte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an, er spiele mit dem Dritten Weltkrieg. Kurz darauf setzte Trump die Militärhilfe für die Ukraine aus, und inzwischen teilen die USA auch keine Geheimdienstinformationen mit dem Land mehr.
Bedeutet das, dass auch die Finanzierung von Starlink für die Ukraine eingestellt werden könnte, um das Land zu Zugeständnissen gegenüber Russland und den USA zu pressen? Diese Möglichkeit soll in mehreren Gesprächen im Februar angedeutet worden sein, als US-Finanzminister Scott Bessent und der US-Ukraine-Beauftragte Keith Kellogg mit Selenskyj zusammenkamen, wie Reuters unter Berufung auf mehrere US-Regierungsquellen berichtete.
Musk selbst bezeichnete den Bericht als Lüge. Doch seine enge Verbindung zu Trump, seine Rolle im Umbau der US-amerikanischen Behörden und sein großes Interesse an Regierungsaufträgen für SpaceX können zumindest nicht verhindern, dass in der Ukraine auch Zweifel aufkommen, ob diese Haltung von Dauer ist.
Keine Alternative absehbar
Für die Ukraine ist Starlink kaum zu ersetzen - und schon gar nicht in kurzer Zeit. Seine 7.000 Satelliten stellen nach Unternehmensauskunft zwei Drittel "aller aktiven Erdsatelliten" dar. Zwar arbeitet die EU an einer Starlink-Alternative namens IRIS2 - erste Satelliten sollen aber erst ab 2030 ins All gebracht werden.
Der deutlich kleinere europäische Starlink-Konkurrent Eutelsat betreibt rund 630 Satelliten. Das Unternehmen gibt aber an, es biete in Europa dieselben Kapazitäten wie Starlink. Dafür ist der Betrieb der Eutelsat-Terminals um ein Vielfaches teurer als der von Starlink.
Ob Eutelsat überhaupt als Ersatz infrage käme, ist vorerst unklar - die Aktienkurse haben entsprechende Fantasien zuletzt aber beflügelt.
Und die Ukraine? Sie setzt - zumindest vor der Öffentlichkeit - auf ihre im Krieg bewiesene Innovationskraft. Verteidigungsminister Rustem Umerow sagte, man arbeite bereits an anderen Ideen: "Es gibt eine Lösung, es gibt Alternativen."