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EU-Verteidigungsgipfel in Brüssel Der Beginn eines neuen Kapitels?

Stand: 06.03.2025 04:11 Uhr

In Brüssel wollen sich die EU-Staaten zu einem Sondergipfel treffen. Es geht um die Unterstützung der Ukraine und auch um den Milliarden-Plan der EU-Kommission zur Aufrüstung. Dazu sind einige Diskussionen zu erwarten.

Den 27 Staats- und Regierungschefs wird ein neues Buch vorgelegt, der Titel: "Die Verteidigung Europas". Es sind erst wenige Seiten beschrieben. Die Autorin heißt Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission. Jetzt dürfen sich die Regierungschefs darüber beugen und Zahlen verändern, Passagen streichen, neue hinzufügen. Es ist keine Komödie, schon gar kein Liebesroman, vielleicht eher ein Thriller. Der Inhalt: Was passiert, wenn Europa plötzlich ohne amerikanische Verteidigung dasteht?

"Das ist ein Hallo-Wach-Ruf", Tina Hassel, ARD Brüssel, zum EU-Sondergipfel über Verteidigung

tagesschau24, 06.03.2025 11:00 Uhr

Von der Leyen spricht von einer dramatischen Situation: "Ich brauche nicht die schweren Bedrohungen zu beschreiben, denen wir gegenüberstehen und die fürchterlichen Konsequenzen, denen wir ausgesetzt wären, wenn diese Bedrohungen eintreten." In Brüssel lässt man jedenfalls keinen Zweifel daran, dass mit diesem Verteidigungsgipfel ein neues Kapitel aufgeschlagen werden soll.

Europa eingekeilt zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem US-Präsidenten Donald Trump. Kein Wunder, dass die Staats- und Regierungschefs innerhalb von vier Wochen das zweite Mal nach Brüssel eilen, um einen Verteidigungsplan zu entwerfen - angesichts eines unberechenbaren US-Präsidenten Trump.

Plan von der Leyens steht auf der Agenda

"Die letzten vier Wochen haben sich wie zwei Jahre angefühlt", so ein hoher EU-Diplomat. Eklat im Weißen Haus, Eiszeit zwischen Europa und den USA. Anfang der Woche präsentiert Ursula von der Leyen dann im kühlen EU-blauen Blazer einen Plan. Der Inhalt ist schnell erzählt: mehr Schulden für Flugabwehrsysteme, Drohnen und Cyberaufklärung - alles eben, was bis jetzt die Amerikaner liefern.

800 Milliarden Euro hält die EU-Kommission der kalten amerikanischen Schulter entgegen. Das wäre die Summe, die herauskäme, wenn die Mitgliedsstaaten alle Kreditmöglichkeiten bis an die Grenze ausschöpfen würden. Doch danach sieht es nicht aus. Einige Mitgliedsstaaten wollen die EU-Schuldenregeln nicht aufweichen, Frankreich und Italien sind schon hoch verschuldet. Es wird ein Diskussionsthema auf diesem Gipfel sein.

Ukraine soll weiter unterstützt werden

Die Ukraine soll weiterhin unterstützt werden. "Frieden durch Stärke" - an diesem Ziel halten die Europäer fest. Das heißt weitere Waffenlieferungen. Aber hier gibt es schon erste Einsprüche. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban will zusätzlichem Geld für die Ukraine nicht zustimmen. Ein 20-Milliarden-Euro Paket, das die Außenbeauftragte der EU, Kaja Kallas, einbringen wollte, hat es nicht auf die Gipfel-Agenda geschafft.

Aber auch Themen, die nicht offiziell auf der Tagesordnung stehen, können besprochen werden. Wie könnte die EU an Friedensgesprächen beteiligt werden? Braucht es einen Sonderbeauftragten für die Ukraine, und wer könnte das machen? Welche Sicherheitsgarantien könnten die Europäer überhaupt leisten? Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi soll auf jeden Fall zugeschaltet werden. Ob er mehr als Worte mitnehmen kann, ist nicht sicher.

Wer bestellt welche Waffensysteme?

Geld ist das eine, aber wo kommen die Waffen, Panzer, Abwehrsysteme und Aufklärungssatelliten her, die Europa und die Ukraine so dringend brauchen? Ein Vorschlag ist, dass der Verteidigungsplan eine "Made in Europe"-Klausel enthält, dass also europäische Hersteller bevorzugt werden. Auch darin sind sich nicht alle Staaten einig.

Die europäische Rüstungsindustrie würde das sehr begrüßen. Sie stehe bereit, die europäische Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, so der Verband der europäischen Luftfahrt-, Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (ASD): "Die europäische Verteidigungsindustrie ist bereit und in der Lage, ihre Produktion weiter zu erhöhen, schneller zu liefern und die europäischen Bedürfnisse zu erfüllen." Was es dazu brauche, seien langfristige Aufträge. Diese Bestellungen sollen möglichst einfach und harmonisiert stattfinden, fordert die Industrie.

Mit anderen Worten: Nicht jedes Land kann sein eigenes Waffensystem bestellen. Auch darüber wird es Diskussionen geben. Das sieht auch Verteidigungsexperte Guntram Wolff vom Bruegel-Institut in Brüssel als große Gefahr. Würden die Länder ihre Bestellungen nicht harmonisieren, würden die Rüstungsgüter immer teurer und die Milliardenpakete rasch kleiner.

Trump sitzt mit am Tisch

Ein Treffen mit US-Präsident Trump steht nicht auf der Tagesordnung, dennoch wird er bei allen Diskussionen mit am Tisch sitzen. Die Europäer müssen ihr Verhältnis zu den USA neu definieren. Viele sind immer noch erschüttert, wie schnell in vier Wochen eine jahrzehntelange Beziehung "vor den Bus geworfen wurde", wie die Amerikaner sagen.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni fordert einen EU-USA-Sondergipfel. Auch der mutmaßlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz kommt nach Brüssel. An dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs nimmt Merz jedoch nicht teil. Dort wird Deutschland noch von Olaf Scholz vertreten. Merz trifft sich jedoch mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte, um über die deutsche Rolle bei der künftigen Verteidigung Europas zu beraten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. März 2025 um 09:00 Uhr.