Polizisten am Unfallort in Vilnius

Verunglückte DHL-Frachtmaschine Scholz warnt vor voreiligen Schlüssen nach Absturz

Stand: 26.11.2024 10:51 Uhr

War es Sabotage? Und steckt Russland hinter dem Absturz einer DHL-Frachtmaschine? Bundeskanzler Scholz mahnt, in der Sache einen kühlen Kopf zu bewahren. In Litauen gehen die Ermittlungen mit deutscher Hilfe weiter.

Die Ermittlungen zur Ursache des Flugzeugabsturzes in Vilnius gehen weiter. Auch Deutschland hat vier Ermittler an den Unglücksort in der litauischen Hauptstadt geschickt. Am frühen Montagmorgen war nahe des Flughafens ein Frachtflugzeug im Auftrag der DHL verunglückt. Ein Mensch kam dabei ums Leben. Nun äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz zu dem Fall und warnte vor vorschnellen Urteilen über den Absturz.

"Wir gucken uns das genau an, wir können das gegenwärtig nicht sagen", sagte der SPD-Politiker im ZDF auf die Frage, ob er die Absturzursache kenne und ob Russland dahinter stecke. "Es könnte so sein. Es gibt sehr viele schlimme Formen hybrider Kriegsführung, die wir in Deutschland feststellen", fügte Scholz hinzu.

Er erinnerte an die Geheimdienstberichte über Pakete, die mit Zündern in Flugzeuge geschmuggelt worden sind. "Deshalb muss das auch genau untersucht werden. Aber zu unserer Seriosität im Handeln gehört immer auch, dass wir dann jemandem einen Vorwurf machen, dass er es war, wenn wir das nachvollziehbar beweisen können", mahnte der Kanzler.

Baerbock fordert vollständige Aufklärung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verlangte eine vollständige Aufklärung des Absturzes und sagte, die Behörden beider Länder ermittelten derzeit "in alle Richtungen". Sie schloss neben einem technischen Unglück auch die Möglichkeit eines absichtlich herbeigeführten Absturzes nicht aus.

In Europa habe es in jüngster Zeit mehrfach "hybride Angriffe" auf einzelne Personen oder Infrastruktur gesehen, sagte die Grünen-Politikerin auch mit Blick auf die vor einer Woche erfolgte Beschädigung zweier Datenkabel in der Ostsee.

DHL lagen nach eigenen Angaben bisher keine Hinweise auf verdächtige Pakete an Bord der Maschine vor, auch das Bundesverteidigungsministerium hat nach Angaben von Minister Boris Pistorius bislang keine Erkenntnisse über einen möglichen Sprengsatz. Der SPD-Politiker forderte erhöhte Sensibilität bei bestimmten Frachtsendungen. 

"Gleichzeitig wissen wir auch, dass es in diesem Feld wohl keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Aber die Lücken, die es gibt, die man erkennt, müssen geschlossen werden", sagte der Minister und ergänzte: "Das weiß sowohl die zivile Luftfahrt als auch die militärische." 

Litauens Präsident warnt vor Spekulationen

Auch Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda rief dazu auf, von Spekulationen über die Absturzursache abzusehen. Die Vermutung eines möglichen Sabotageakts dürfe nicht überbetont, aber auch nicht heruntergespielt werden. Gleichzeitig könne man eine solche Version nicht ausschließen, sagte Nauseda am Morgen im litauischen Radio.

"Ich wiederhole es noch einmal: Natürlich besteht die Möglichkeit einer Sabotage, wir können sie nicht ausschließen. Daher wird dies mit aller Ernsthaftigkeit ermittelt", sagte der litauische Präsident, der sich selbst bereits ein Bild von der Unglücksstelle gemacht hatte. Nach seinen Angaben liegen bislang nicht ausreichend Informationen vor, um eine Unfallursache zu nennen.

Überlebende werden befragt

Vier Menschen befanden sich an Bord der Maschine, die kurz vor der geplanten Landung aus bisher unbekannten Gründen auf den Boden prallte und zerschellte. Eines der Besatzungsmitglieder kam bei dem Absturz ums Leben, drei weitere - darunter auch ein Deutscher - werden im Krankenhaus medizinisch behandelt. Der Zustand von mindestens einem Besatzungsmitglied soll Medienberichten zufolge ernst sein. 

Von den Überlebenden erhoffen sich die Ermittler nun Aufschluss über die Absturzursache. Mit einem der Verletzten konnte nach Angaben von Polizeichef Arunas Paulauskas im Krankenhaus bereits gesprochen worden. Demnach habe es keine Anzeichen auf ungewöhnliche Aktivitäten an Bord oder im Inneren des Flugzeugs gegeben, sagte er im litauischen Fernsehen.

Suche nach Black Box

Auch soll die Suche nach dem Paulauskas zufolge noch nicht geborgenen Flugschreiber weitergehen, die sich in den Überresten der völlig zerstörten Maschine befinden soll. Die sogenannte Black Box kann dabei helfen, die Unglücksursache zu klären. Bei der Unglücksmaschine handelt es sich um eine Boeing 737-400. Deren Trümmer waren nach Angaben der Behörden nach dem Absturz mehrere Hundert Meter weit geschlittert und hatten dabei ein Wohnhaus beschädigt.

Außerdem hat der Betreiber des Flughafens Vilnius die Start- und Landebahn am Morgen kurzzeitig gesperrt. Die Polizei untersuchte das Gebiet mithilfe von Drohnen aus der Luft, teilte die Flugsicherung mit.

Vorfall in Leipziger DHL-Frachtzentrum

Der Flugzeugabsturz wirft vor allem auch deshalb Fragen und Befürchtungen auf, weil deutsche Sicherheitsbehörden Ende August vor "unkonventionellen Brandsätzen" gewarnt hatten, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Die Warnung wurde damals in Sicherheitskreisen mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, das als weltweites Drehkreuz des Unternehmens fungiert.

Dort soll im Juli ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt. Basierend auf den Ermittlungen kam es auch in Litauen zu Festnahmen, die Anfang des Monats von der Generalstaatsanwaltschaft in Vilnius bestätigt worden waren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. November 2024 um 10:42 Uhr.