Nach Abstimmung in Athen Neuwahl "sehr wahrscheinlich"
Abstimmung gewonnen, Rückhalt verloren - so lässt sich das Votum zu den Sparauflagen im griechischen Parlament aus Sicht von Regierungschef Tsipras zusammenfassen. Prominente Abgeordnete verweigerten ihm die Gefolgschaft - nun könnte es schon bald eine Neuwahl geben.
Das Reformpaket für Griechenland ist verabschiedet, doch die Regierungspartei Syriza muss sich nun neu aufstellen. Weil bei der Abstimmung über die Sparauflagen der Geldgeber mehr als ein Viertel der Syriza-Abgeordneten mit "Nein" votierten und Ministerpräsident Tsipras auf Stimmen der Opposition angewiesen war, sehen ihn Beobachter als politisch schwer angeschlagen.
Nach Angaben von Innenminister Nikos Voutsis könnte es daher schon im Herbst eine vorgezogene Neuwahl geben. "Das ist sehr wahrscheinlich und hängt von den weiteren Entwicklungen ab", sagte Voutsis in einem Radio-Interview.
Zudem will Regierungschef Tsipras offenbar zügig die Minister ersetzen, die sich bei der Abstimmung über die Sparauflagen der Geldegeber offen gegen ihn gestellt haben. "Das sind allesamt Minister, die mit der Umsetzung der konkreten Reformen betraut wären", sagte ARD-Korrespondent Mike Lingenfelser in der tagesschau. Auch die Rolle der Parlamentspräsidentin werde hinterfragt, möglicherweise werde auch sie abgelöst. "Es sieht aber nicht so aus, als würde sich die sogenannte linke Plattform innerhalb der Syriza-Partei abspalten und eine eigene Partei gründen", so Lingenfelser.
Prominente Abweichler
Unter den Abweichlern der Regierungspartei waren Energieminister Panagiotis Lafazanis, Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou und zwei stellvertretende Minister. Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte zuvor mitgeteilt, das Reformpaket nicht zu wollen, von den Gläubigern jedoch erpresst worden zu sein. Nun müsse er die Auflagen aus Brüssel umsetzen. "Wir hatten eine sehr spezifische Wahl: Ein Deal, mit dem wir weitgehend nicht übereinstimmten, oder eine chaotische Zahlungsunfähigkeit", hatte Tsipras vor dem Votum gesagt.
ARD-Korrespondent: Tsipras wird nicht zurücktreten
Nach Ende der Sitzung äußerte sich der Regierungschef allerdings nicht öffentlich. Ein Sprecher der Regierung räumte zwar die Spaltung innerhalb der Syriza-Partei ein, das wichtigste Ziel sei nun aber die Umsetzung der Vereinbarungen zum dritten Hilfspaket. Neuwahlen seien im Moment kein Thema. ARD-Korrespondent Julian von Löwis rechnet trotz der "faktischen Spaltung der Syriza-Partei" auch nicht mit einem Rücktritt des Regierungschefs. "Tsipras wird an der Spitze bleiben", sagte von Löwis. Die Umsetzung der Reformen hätten nun absolute Priorität. Dennoch sei Tsipras durch das Abstimmungsergebnis geschwächt.
229 Abgeordnete dafür, 64 dagegen, sechs Enthaltungen
Im Parlament hatten in der Nacht insgesamt 229 Abgeordnete bei der namentlichen Abstimmung für ein erstes Paket mit Reform- und Spargesetzen votiert. 64 Parlamentarierer stimmten dagegen, sechs enthielten sich. Insgesamt 32 der "Nein"-Stimmen wurden von Syriza-Abgeordneten abgegeben.
Die EU-Kommission zeigte sich erfreut über das Ja aus Athen: Die Regierung habe das erste Paket mit vier Maßnahmen "rechtzeitig und in einer insgesamt befriedigenden Weise" umgesetzt, sagte eine Sprecherin in Brüssel.
Kredite werden fällig
Die Mehrwertsteuererhöhungen und Rentenreformen, die Griechenland umsetzen muss, ehe es mit den internationalen Gläubigern über ein drittes Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro verhandeln kann, bedeuten weitere wirtschaftlich harte Jahre für die Griechen. Bereits am kommenden Montag muss die Regierung in Athen der Europäischen Zentralbank 4,2 Milliarden Euro zurückzahlen. Zusätzlich ist sie auch beim Internationalen Währungsfonds mit fast zwei Milliarden Dollar im Verzug.
Die Zustimmung des Parlaments war Voraussetzung für die Aufnahme von Gesprächen über ein drittes Hilfsprogramm für das von der Staatspleite bedrohte Euro-Land. Nun müssen weitere Volksvertretungen innerhalb kurzer Zeit zustimmen.