Flüchtlingsansturm auf Melilla Kein Hightech-Zaun ist zu hoch
Eine gewaltige Grenzanlage soll die spanische Enklave Melilla in Marokko vor dem Ansturm von Flüchtlingen schützen, die nach Europa wollen. Doch immer wieder schaffen es einige hinüber. Viele Einwohner Melillas zeigen Verständnis und helfen.
"Wir sind drüber gekommen, es war wirklich schwierig. Hier zu sein ist ein gutes Gefühl, aber ich versuche nach Europa zu kommen. Jetzt sitze ich hier in dieser Stadt die Zeit ab."
Mohamed Abdi ist einer derjenigen, die es geschafft haben, über den Zaun zu kommen. Jetzt sitzt der knapp 30-Jährige zusammen mit Freunden vor dem großen Auffanglager, das außerhalb von Melilla liegt, grotesk gelegen zwischen Brachen, einem Golfplatz und dem kleinen Flughafen.
Die Flüchtlinge kommen aus dem zerfallenen Somalia, in dem sich zahlreiche Clans gegenseitig erbittert bekämpfen. 10.000 Kilometer waren es von ihrer Heimat bis hierher.
Der Zaun ist nicht die größte Herausforderung
Ein Zaun, auch drei Hightech-Zäune, können diese Menschen nicht aufhalten, sagt José Palazon. Der Mann mit der hohen Stirn und dem grau-melierten Vollbart ist einer der Gründer der Menschenrechtsorganisation PRODEIN. "Wer den Zaun sieht, der denkt: 'Wie kann man da rüberkommen?' Aber sie schaffen es. Wenn jemand all dem entkommt - Krieg, Hunger, die Situation des totalen Desasters - dann hat er auch die Kraft, die Stelle zu finden, an der er den Zaun überwinden kann."
Hinter Palazon hängt eine alte Schiefertafel an der Wand, im schmucklosen Raum in der Innenstadt Melillas stehen ein paar Stühle mit Schreiblehnen. PRODEIN leistet konkrete Hilfe, zum Beispiel durch Sprachunterricht. Daneben beobachtet die Organisation aber auch, was an den Grenzanlagen passiert. Sie prangert immer wieder Übergriffe der Sicherheitskräfte auf beiden Seiten des Zauns an. Palazon hat immer seine Kamera dabei.
Jeder gelungene illegale Grenzübertritt sei eine Schmach für Spanien: "Der Zaun und die gesamte Sicherung auf spanischer und marokkanischer Seite sind von der EU finanziert. Angesichts der riesigen Summe, die das täglich verschlingt, samt der Wartung und so weiter, sieht Spanien ziemlich schlecht aus, wenn die jungen Flüchtlinge es reihenweise schaffen, den Zaun zu überwinden."
Verständnis und Sympathie
Die Menschen in Melilla selbst stören sich kaum an den Flüchtlingen. Viele haben Verständnis oder sogar Sympathie für sie. "Klar, man sieht sie in den Straßen, aber das ist kein Problem, was etwa Kriminalität angeht oder so. Sicher, politisch sind sie ein Problem, aber was das Zusammenleben angeht, da merkt man eigentlich nichts", sagt ein Lehrer im Zentrum von Melilla.
"Wir haben hier immer zusammengelebt, mit Muslimen, Zigeunern, Juden, Hindus und jetzt mit Chinesen. Hier in Melilla hat es nie Probleme gegeben. Wir sind wie eine Familie. Den Flüchtlingen geben wir zu essen, geben wir Kleidung, was sie brauchen", erklärt eine Hausfrau.
Ein Orthopäde zeigt Verständnis: "Sie suchen ein besseres Leben, wie jeder es tun würde. Es muss hart sein, die Heimat zu verlassen und ins Unbekannte aufzubrechen. Wir sind da sehr tolerant, vielleicht, weil früher auch viele Spanier emigriert sind. Wir wissen, was das bedeutet."