Sudan Erneut schwere Kämpfe in Khartum gemeldet
Den zweiten Tag infolge lieferten sich die sudanesische Armee und die paramilitärische Gruppe RSF schwere Kämpfe. Keine Seite zeigt sich verhandlungsbereit. Durch die Gewalt kamen mindestens 83 Menschen ums Leben.
Die am Samstag binnen Stunden eskalierte Gewalt zwischen der im Sudan herrschenden Armee und der paramilitärischen Gruppe "Rapid Support Forces" (RSF) hat sich auch in der Nacht zu Montag fortgesetzt. Einwohner der Hauptstadt Khartum berichteten von anhaltenden Schüssen und Explosionen, aber auch in anderen Teilen des Landes gingen die Kämpfe weiter - etwa in der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer und in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO teilte am Abend mit, seit Beginn des Konflikts seien mindestens 83 Menschen getötet und mindestens 1126 Menschen verletzt worden. Aufgrund der schweren Gefechte seien die Krankenhäuser der Hauptstadt, in deren Umland rund sechs Millionen Menschen leben, völlig überlastet. Vielen der neun Kliniken, die verletzte Zivilisten aufnehmen, fehle es an medizinischem Material wie Blutkonserven und Transfusionszubehör. Wasser- und Stromausfälle sowie fehlender Treibstoff für die Stromgeneratoren der Krankenhäuser schränkten den Betrieb weiter ein. Auch Fachkräfte wie Anästhesisten fehlten.
Welche Konfliktpartei bei den andauernden Kämpfen die Oberhand behält, ist angesichts der unübersichtlichen Lage und widersprüchlicher Informationen schwer zu beurteilen. Wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf sudanesische Medien berichtete, sollen sich die erneuten Kämpfe um das Generalkommando der sudanesischen Armee in Khartum noch intensiviert haben. Am Samstagabend hatten die RSF noch die Einnahme des Hauptquartiers gemeldet, was von Militärkräften als falsche Behauptung dementiert wurde. In den Morgenstunden verkündete hingegen die Armee, trotz der andauernden Kämpfe einem "Sieg nahe zu sein".
Die Nachrichtenagentur AP sprach mit der Menschenrechtlerin Tahani Abass, die sich in Khartum aufhält. Sie berichtete von schweren Schusswechseln, in Wohngebieten herrsche Krieg. Neben den Kämpfen um das Generalkommando konzentrierten sich die Kampfhandlungen rund um den internationalen Flughafen und den Sitz des staatlichen Fernsehens. Laut AP sollen auch aus der an Khartum angrenzenden Stadt Omdurman sowie aus der Region Darfur und der Stadt Merowe Kämpfe gemeldet worden sein. Die Angaben können jedoch nicht unabhängig überprüft werden.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete wiederum unter Berufung auf Anwohner und Augenzeugen, dass die Armee Luftangriffe auf Kasernen und Stützpunkte der "Rapid Support Forces" (RSF) geflogen habe. Es sei ihr gelungen, die meisten dieser Einrichtungen zu zerstören. Die Armee habe auch die Kontrolle über einen Großteil des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt Khartum zurückerobert.
Die RSF hatten nach Ausbruch der Kämpfe am Samstag erklärt, sie hätten die Kontrolle über den Präsidentenpalast, die Residenz von General Abdel Fattah al-Burhan und den Flughafen von Khartum übernommen. In Khartum waren am Sonntag Schüsse und Explosionen zu hören. Geschützwagen und gepanzerte Fahrzeuge fuhren durch die Stadt. Banken und Behörden blieben geschlossen
Welternährungsprogramm setzt Arbeit aus
Nach Angaben des UN-Sondergesandten Volker Perthes wurden auch drei Mitarbeiter des Welternährungsprogramms in der westlichen Krisenregion Darfur getötet. Humanitäre Einrichtungen stünden unter Beschuss, weitere seien "geplündert" worden. "Zivilisten und humanitäre Helfer sind keine Zielscheibe", mahnte Perthes und rief die beiden Konfliktparteien zu einer sofortigen Waffenruhe auf.
Das Welternährungsprogramm setzte seine Arbeit im Land vorübergehend aus. Man sei entschlossen, der sudanesischen Bevölkerung zu helfen, die mit einer extremen Nahrungsmittelknappheit konfrontiert sei, sagte Direktorin Cindy McCain. "Aber wir können unsere lebensrettende Arbeit nicht leisten, wenn die Sicherheit unserer Teams und Partner nicht gewährleistet ist."
Internationale Appelle für Ende der Gewalt
Weltweit mehren sich die Appelle, die militärischen Auseinandersetzungen im Sudan zu beenden und zu einem diplomatischen Dialog zurückzukehren.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die sich derzeit anlässlich des G7-Außenministertreffens in Japan aufhält, schrieb auf Twitter, sie sei "entsetzt über die vielen Opfer", welche die Kämpfe im Sudan bereits gefordert hätten. Die Grünen-Politikerin mahnte: "Beide Seiten müssen die Kampfhandlungen einstellen und weiteres Blutvergießen verhindern."
In seinem Mittagsgebet zeigte sich auch Papst Franziskus besorgt über die Kämpfe im Sudan. "Ich bin dem sudanesischen Volk nahe, das schon so viel durchgemacht hat", so der Pontifex. Die Konfliktparteien sollten "die Waffen niederlegen" und der Dialog müsse sich durchsetzen, "um gemeinsam auf den Weg des Friedens und der Eintracht zurückzukehren".
Der UN-Sicherheitsrat rief alle Konfliktparteien dazu auf, die Gefechte einzustellen und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Außerdem müssten humanitäre Helfer sicheren Zugang bekommen und UN-Mitarbeiter vor Angriffen geschützt werden, forderte das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen am Morgen. In der Stellungnahme wurde das Ziel der "Einheit, Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Republik Sudan" betont.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres rief die Konfliktparteien dazu auf, "die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten".
Militär und RSF lehnen Verhandlungen ab
Diesem Appell schlossen sich auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, US-Verteidigungsminister Antony Blinken und die Arabische Liga an. Ebenso drängten die Länder Katar, Saudi-Arabien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate das sudanesische Militär und die RSF, sich auf eine Waffenruhe zu einigen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union berät in einer Dringlichkeitssitzung über die Lage im Sudan. Aus dem ägyptischen Präsidialamt hieß es, Ägypten und der Südsudan hätten angeboten, im eskalierten Konflikt zu vermitteln.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch rief in einem Statement am Samstagabend dazu auf, die Zivilbevölkerung zu schützen. "Die internationalen Partner haben es versäumt, die Militärs seit dem Staatsstreich zur Rechenschaft zu ziehen, und müssen umgehend und konkret reagieren", forderte Mohamed Osman, Sudan-Experte der Organisation.
Machtkampf eskaliert
RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo sagte Al Dschasira, Ziel seiner Kämpfer sei die Eroberung aller Armeestützpunkte. Die Miliz rief die Bevölkerung auf, sich gegen die Militärregierung zu erheben. In einem Interview mit dem Sender Sky News Arabia forderte Daglo: "Al-Burhan, der Kriminelle, muss sich ergeben." Die Armee ihrerseits erklärte Daglo zu einem "gesuchten Kriminellen" und die RSF zu einer "Rebellenmiliz". Verhandlungen oder Gespräche wird es ihr zufolge "nicht geben, bis die Gruppe aufgelöst ist".