Neuer europäischer Rechtsbund Die politische Wende des Andrej Babis
Bislang war Tschechiens Ex-Premier Babis im Lager der europäischen Liberalen, nun paktiert er mit den rechten Kreml-Freunden in Ungarn und Österreich. Was steckt hinter seiner politischen Wende?
Er würde bestimmt gerne als einer der Gründerväter einer neuen europäischen Bewegung in die Geschichte eingehen. Andrej Babis, bis vor drei Jahren tschechischer Regierungschef, unterschrieb zusammen mit dem Ungarn Viktor Orban und dem Österreicher Herbert Kickl das sogenannte "Patriotische Manifest".
"Wir wollen eine Gemeinschaft von unabhängigen Staaten und nicht, dass uns jemand aus Brüssel lenkt", erklärte Babis zur Gründung von "Patrioten für Europa". Für ihre mögliche neue Fraktion im Europaparlament sind die drei derzeit noch auf der Suche nach anderen rechten, russlandfreundlichen Parteien. Vor allem Babis muss sich fragen lassen, was ihn in dieses Bündnis treibt.
Bis vor kurzem bei den Liberalen
Eine eigene Partei hat Babis schon gegründet. Seine ANO-Bewegung heißt übersetzt "Ja", steht als Akronym aber für "Aktion unzufriedener Bürger". Auf EU-Ebene gehörte sie der liberalen Parlamentsfraktion an. Doch die war schon länger unzufrieden mit Babis' öffentlicher Bewunderung für den ungarischen Ministerpräsidenten oder für den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump.
Die EU-Fraktion schickte Unterhändler nach Prag. Viele EU-Abgeordnete von der ANO verließen ihrerseits die Babis-Partei, auch die scheidende EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, Vera Jourova.
Nach der Europawahl entschied Babis, die Liberalen zu verlassen: "Wir sind in den Wahlkampf gezogen, um illegale Einwanderung zu bekämpfen und um den 'Green Deal' zu ändern, der unsere Industrie und Landwirtschaft zerstört und sich negativ auf unsere Bürger auswirkt." Die liberale EU-Fraktion Renew wolle dagegen "Nationalstaaten unterdrücken und zum Teil den grünen Wahnsinn sogar noch verstärken".
Aussicht auf Wahlsieg in Tschechien
Mit einer migrationsfeindlichen Angstkampagne hatte der Milliardär die vorige Parlamentswahl in Tschechien gewonnen. Doch fünf konservativ-liberale Parteien schlossen sich zusammen und verhinderten seine zweite Amtszeit.
2025 könnte das anders ausgehen, erwartet der Europaexperte Viktor Danek. Die tschechische Parlamentswahl im kommenden Jahr dürfte Babis haushoch gewinnen.
Im Europaparlament werde die neue rechte Gruppierung wohl nicht viel ausrichten können, meint Danek. "Aber ich glaube, das stört sie nicht. Die Mitglieder wenden sich an ihr heimisches Publikum."
Motiviert durch Geschäftsinteressen?
Babis arbeitet nicht nur an einem Comeback als tschechischer Regierungschef, sondern verfolgt weiter seine Geschäftsinteressen. Die europäische Klimapolitik hält der Agro-, Chemie- und Lebensmittelunternehmer für gefährlich, die deutsche Energiewende für verrückt.
Babis investiert in energieintensive Unternehmen - das neue Rechtsbündnis ergebe für den Besitzer des Agrofert-Konzerns auch wirtschaftlich Sinn, meint der Politikbeobachter Vladimir Handl.
"Sein Business-Modell, sagen die Agrarexperten, ist wirklich von Subventionen abhängig - auf den nationalen Ebenen, vielleicht den regionalen und vor allem auf der europäischen Ebene. Ohne die Subventionen kann sich sein Business-Modell nicht weiterentwickeln", so Handl. Die EU-Kommission hat dem damaligen Premier Babis daher einen Interessenkonflikt bescheinigt.
Bislang nicht als Russlandfreund aufgefallen
Anders als die weitere mögliche Bündnispartnerin Marine Le Pen von der Rassemblement National in Frankreich hat Babis kein Interesse daran, den europäischen Binnenmarkt zu zerstören.
Anders als Ungarn macht der 69-Jährige keine Geschäfte mit Russland. Anders als die FPÖ in Österreich unterhält seine Partei auch keine Russland-Kontakte. Als Russlandfreund ist Babis in seiner Regierungszeit nicht aufgefallen. Allerdings kritisiert der Populist ohne ideologischen Überbau zunehmend eine angeblich zu große Ukraine-Hilfe Tschechiens und der EU.
"Das ist das Überraschendste, womit Andrej Babis hier spielt", so der Journalist David Klimes. "Einige seiner Äußerungen sind zu Recht als prorussisch bezeichnet worden. Verhalten hat er sich in seiner Regierungszeit und jetzt aber ganz anders. Wenn er in diesem Bündnis mit Kickl und Orban bleibt, mit diesen trojanischen Pferden Russlands in der EU, dann ist es aber völlig legitim, Babis als Teil des Kreml-freundlichen Netzes in der EU zu bezeichnen."