US-Wahl 2024
Walz-Rede auf Parteitag "Die Ehre meines Lebens"
Große Bühne für den Vize-Kandidaten: Auf dem Parteitag der Demokraten präsentierte sich Tim Walz als bodenständig und nahbar. Zuvor hatte Ex-Präsident Clinton die Menge angeheizt. Auch viele Prominente traten auf.
Am dritten Tag des Parteitags der Demokraten hat Tim Walz, derzeit Gouverneur von Minnesota, seine Nominierung als Kandidat für das Vizepräsidentenamt angenommen. Er dankte der amtierenden Vizepräsidentin und demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris für "die Ehre meines Lebens".
Für den 60-jährigen Walz war seine Rede in Chicago aber vor allem die Chance, sich landesweit bekannter zu machen. Wie erwartet stellte er sich als nahbar, konstruktiv und Mann der Mitte dar. Er blickte auf seine Kindheit auf einer Farm in Nebraska ebenso zurück wie auf seine 24-jährige Dienstzeit in der US-Nationalgarde und seinen Beruf als Lehrer und Football-Trainer. Das von ihm trainierte Team habe in ihm das gesehen, "was ich hoffte, ihnen beizubringen: eine Hingabe an das Gemeinwohl, ein Verständnis dafür, dass wir alle in einem Boot sitzen, und die Überzeugung, dass ein Einzelner für seine Mitmenschen wirklich etwas bewirken kann", so Walz.
Er blickte auch auf schwierige Phasen seines Lebens zurück und sprach über einen lange unerfüllten Kinderwunsch. Erst nach jahrelanger Fruchtbarkeitsbehandlung wurden seine Frau und er Eltern zweier Kinder. Gleichzeitig thematisierte er damit die Rechte von Bürgern auf Fruchtbarkeitsbehandlungen und den legalen Status von Abtreibungen. Letzterer ist ein zentrales Wahlkampfthema der Demokraten.
Tim Walz mit seiner Ehefrau Gwen, seinem Sohn Gus und der Tochter Hope.
Walz ruft zu mehr Zusammenhalt in Gesellschaft auf
Walz nutzte seine Rede, um für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt in den USA zu werben. "Alle gehören dazu, und jeder hat die Verantwortung, seinen Beitrag zu leisten", betonte er. "Die Familie am Ende der Straße denkt vielleicht nicht so wie Sie, sie betet vielleicht nicht so wie Sie, sie liebt vielleicht nicht so wie Sie", so der 60-Jährige. Aber diese Menschen seien Nachbarn, also müsse man sich um sie kümmern und sie sich um einen.
"Doch manche Leute verstehen nicht, was es heißt, ein guter Nachbar zu sein", fuhr Walz fort und bezog sich damit direkt auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und seinen Vize J.D. Vance. Sie verfolgten eine radikale Agenda, die "falsch" und "gefährlich" sei, mahnte Walz. "Es ist eine Agenda, die niemandem außer den Reichsten und Extremsten unter uns dient. Und es ist eine Agenda, die nichts für unsere Nachbarn in Not tut."
"Immer noch jünger als Trump"
Zuvor hatte der frühere US-Präsident Bill Clinton für das Duo Harris und Walz geworben - Seitenhiebe auf Trump inbegriffen.
Clinton zitierte die US-Verfassung, als er sagte, die Wahl im November sei eine Entscheidung zwischen "Wir, das Volk" und "Ich, ich und ich". Wiederholt stellte der 42. Präsident der USA Harris als sich kümmernde, zugewandte Politikerin dar und Trump als Egoisten und Narzissten. Er warf dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten vor, die eigenen Interessen über die des Landes zu stellen. Bei der nächsten Rede Trumps sollten die Menschen nicht die Lügen zählen, sondern, wie oft Trump "Ich" sage.
Und auch das Alter sprach Clinton an. "Ich bin vor zwei Tagen 78 Jahre alt geworden", sagte Clinton. "Die einzige persönliche Eitelkeit, die ich verkünden möchte, ist, dass ich immer noch jünger bin als Donald Trump."
Harris sei die einzige Kandidatin im Rennen um die Präsidentschaft, die "die Vision, die Erfahrung, das Temperament, den Willen und ja, die schiere Freude" habe, dafür zu arbeiten. Der Begriff "Freude" - englisch "joy" - scheint im Wahlkampf der Demokraten eine immer größere Rolle zu spielen. Auf dem Parteitag in Chicago kommt er in vielen Reden vor.
Ex-Präsident Clinton sparte nicht mit Attacken auf Trump.
"Es ist Finsternis, was sie verkaufen"
Neben Clinton traten auch die ehemalige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und Verkehrsminister Pete Buttigieg ans Mikrofon, um zu den Delegierten des Parteitages zu sprechen. Buttigieg äußerte scharfe Kritik an J.D. Vance, den von Trump gewählten Vize. Mit dieser Wahl habe sich Trump für Negativität und Missgunst entschieden. "Es ist Finsternis, was sie verkaufen", mahnte er.
Pelosi erinnerte in ihrer Rede nochmals an den Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021 an und gab Trump klar eine Mitschuld: "Lasst uns nicht vergessen, wer die Demokratie am 6. Januar angegriffen hat: Er war es. Aber lassen Sie uns nicht vergessen, wer die Demokratie an diesem Tag gerettet hat: Wir waren es."
Noch bevor Walz beim Parteitag die Bühne betreten hatte, erhielt er per Post beim Kurznachrichtendienst X erneut Rückhalt vom früheren US-Präsidenten Barack Obama. "Ich liebe diesen Kerl", schrieb Obama und beschrieb den nominierten Vize als einen Mann, der wisse, wie Führung aussehe.
Prominente Unterstützung für Harris und Walz
Doch nicht nur aus den Reihen der Demokraten erhielt Walz Unterstützung. Beim Parteitag stellten sich auch Prominente hinter ihn. Sänger John Legend stand auf der Bühne, ebenso wie der Soulmusiker Stevie Wonder. Letzterer wandte sich in einer kurzen Rede an die Amerikanerinnen und Amerikaner und rief sie auf, ihre Stimme bei der Wahl im November für "Freude statt Wut" abzugeben - und damit für Harris als neue Präsidentin.
Mit eindringlichen Worten war Oprah Winfrey für Kamala Harris. Sie stehe für Menschenverstand, Wahrheit und Freude.
Für einen Überraschungsauftritt war auch Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey angereist. In ihrer Rede nannte sie weder Trump noch Vance direkt beim Namen, sparte aber nicht mit indirekten Spitzen gegen das republikanische Kandidatenduo. Die Wählerinnen und Wähler rief sie dazu auf, mit ihrer Stimme Freiheit und Demokratie zu verteidigen.
Vor allem an unabhängige und unentschlossene Wähler appellierte sie eindringlich, für Harris zu votieren. "Lasst uns gesunden Menschenverstand statt Unsinn wählen. Lasst uns Wahrheit wählen. Lasst uns Ehre wählen und lasst uns Freude wählen", rief Winfrey. Für all das stehe Harris.