Masernimpfung Die Mythen der Impfgegner
Unkalkulierbare Risiken, Absichten der Pharmalobby, Zweifel an der Wirkung - Impfgegner bringen zahlreiche Einwände gegen die Einführung einer Impfpflicht vor. Die WHO warnt vor Falschmeldungen.
Anlässlich des Kabinettsbeschlusses zum "Masernschutzgesetz", das eine verpflichtende Impfung gegen Masern für bestimmte Gruppen vorsieht, werden grundlegende Vorbehalte gegen Impfungen laut. Gegner der Impfpflicht riefen zu einer Demo vor dem Bundeskanzleramt auf. Vermeintliche Argumente gegen Impfungen füllen erneut die Kommentarspalten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt indes vor Falschinformationen. Impfgegner seien zwar nur ein kleines Phänomen, meint Kate O' Brian, Direktorin der Impfabteilung der WHO. "Aber sie können ihre Botschaft mit den sozialen Medien heute weiter verbreiten als früher." Diese Botschaften schürten Ängste. In zahlreichen Ländern gingen die Impfquoten derzeit zurück.
Zweifel an der Wirksamkeit
Immer wieder wird behauptet, Masernimpfungen könnten keinen Schutz gegen die Erkrankung garantieren. Auch Geimpfte könnten an Masern erkranken. Eine Impfung sei dementsprechend sinnlos.
Die Wirksamkeit der Masernimpfung sei bei Millionen von Menschen belegt, schreibt hingegen das Robert-Koch-Institut (RKI), die zentrale Einrichtung der Bundesregierung zur Überwachung von Infektionskrankheiten. Damit Impfstoffe überhaupt eingesetzt werden können, müsse deren Wirksamkeit und Verträglichkeit nachgewiesen sein. Auch nach der Zulassung würden Impfstoffe laufend überprüft. Allein dass Masern weltweit zurückgedrängt und Todesfälle vermieden werden konnten, zeige deutlich wie wirksam die Impfungen seien.
Dass keine Impfung ausnahmslos vor Erkrankung schützen kann, räumt auch das RKI ein. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit werde aber deutlich gesenkt: "Man stelle sich folgendes Szenario vor: In einer Grundschule träte eine Masernepidemie auf. Die eine Hälfte der Schüler wäre geimpft, die andere nicht. Statistisch gesehen würden etwa 97 bis 98 Prozent der nicht geimpften Schüler erkranken, wohingegen unter den Geimpften nur zwei bis drei Prozent erkrankten. "
Die Risiken einer Masernimpfung
Regelmäßig finden sich auch Warnungen vor den vermeintlich unkalkulierbaren Risiken einer Impfung. Impfungen könnten Autismus, Diabetes oder Multiple Sklerose auslösen. Einen Nachweis gibt es dafür aber nicht. Vielmehr würden zahlreiche Studien gegen eine solchen Zusammenhang sprechen, meint das RKI.
Die These von der Erkrankung durch Impfung stammt aus den 1990er-Jahren und wird seitdem immer wieder hervorgeholt. Sie geht zurück auf den britischen Arzt Andrew Wakefield. Seine These: Impfungen würden das Eindringen von neurotoxischen Substanzen fördern, die so Autismus begünstigten. Größer angelegte Studien konnten keinen Nachweis für diese These finden. Zudem stellte sich heraus, dass Wakefields Studie von Anwälten, die Eltern autistischer Kinder vertraten, finanziert worden war - mit dem Ziel Hersteller verklagen zu können. Wakefield wurde von einer Ethik-Kommission des Fehlverhaltens überführt und verlor seine Approbation als Arzt in Großbritannien.
Auch ein vielfach behaupteter Zusammenhang mit Erkrankungen wie Gehirnhautentzündungen könne nicht belegt werden, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mitteilt. Nebenwirkungen infolge einer Impfung seien selten, aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Bis zu vier Wochen nach Impfung könne es zu leichten "Impf-Masern" (Fieber mit masernähnlichem Ausschlag) kommen. Es gebe Berichte über Gelenkbeschwerden bei Jugendlichen und Erwachsenen.
Ein Gesetz der Pharmalobby wird "durchgepeitscht"
In der Debatte um das "Masernschutzgesetz" findet sich auch der Vorwurf, das Gesetz sei schnell durchgepeitscht worden - gegen den Willen der Mehrheit, aber im Interesse der Pharmalobby. Dass bereits der Gesetzesentwurf im Mai eine breite Diskussion nach sich zog, wird dabei verschwiegen. Meinungsumfragen in den vergangenen Wochen zeigten außerdem, dass eine Mehrheit eine Impfpflicht befürwortet.
Dem Vorwurf, dass die Pharmaindustrie die Impfpflicht vorantreiben würde, entgegnet das Robert-Koch-Institut mit dem Einwand, dass Pharmafirmen mit Impfstoffen wesentlich weniger Geld verdienen als mit Arzneimitteln, wie sie beispielsweise chronisch Erkrankte einnehmen müssen. "Von den knapp 194 Milliarden Euro, die die Gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2014 ausgegeben hat, entfielen 33 Milliarden Euro (17 Prozent) auf Arzneimittel und lediglich etwas mehr als eine Milliarde Euro (0,65 Prozent) auf Impfstoffe."
Wie groß ist die Zahl der Impfgegner?
Wie erfolgreich die von der WHO kritisierten Kampagnen in Deutschland sind, lässt sich nur schwer abschätzen. Experten des RKI wiesen anlässlich der Nationalen Impfkonferenz im Mai darauf hin, dass Deutschland schon jetzt mit seiner Masern-Impfquote im internationalen Vergleich gut da stehe. Immerhin 97 Prozent der Schulanfänger hätten die erste und 93 Prozent die zweite Impfung gegen Masern bekommen.
Gegen eine weit verbreitete Impfskepsis spricht auch eine Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2016. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Impfbefürworter angestiegen ist - von 37 Prozent im Jahr 2012 auf 54 Prozent in 2016.