Blick auf den Weihnachtsmarkt in Frankfurt am Main.
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Falschmeldungen zum Advent Lügen unterm Tannenbaum

Stand: 12.12.2024 11:14 Uhr

Schokoladenhohlfigur statt Weihnachtsmann, Wünschebaum statt Weihnachtsbaum - solche Falschmeldungen kursieren auch in diesem Jahr. Oft steckt dahinter rechte Agitation.

Von Julia Kuttner, ARD-faktenfinder

Alle Jahre wieder tauchen rund um die Advents- und Weihnachtszeit Falschmeldungen und Verschwörungsmythen auf. Oft haben sie ein neues Gewand, aber Inhalte und Erzählweisen ähneln sich und spielen mit den Emotionen der Menschen.

So wird in den sozialen Netzwerken vielfach ein Bild aus einem Discounter in Sachsen geteilt. Zu sehen sind weihnachtliche Schokoladenfiguren und ein Zettel mit der Aufschrift "Aktion - Kinder Schoko Hohlfigur". Auf Facebook wurde das Foto mit dem Text "Es gibt keinen Kinderschokolade Weihnachtsmann mehr, sondern eine Hohlfigur. Integration pur" gepostet. Auf einer rechtspopulistischen Facebook-Seite steht dazu "Wenn aus dem Weihnachtsmann eine geschlechtsneutrale 'Hohlfigur' wird, um Muslime und Gender-Ideologen nicht zu verstören...".

Screenshot von einem Post auf X mit einem Fake Foto von einem Supermarktaufsteller.

Dieses Foto aus einem Discounter in Sachsen wird tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt.

Echtes Foto, aber falsche Deutung

Das Foto ist echt, aber die Deutung ist falsch. Der Begriff "Weihnachtsmann" wurde nicht abgeschafft. Hersteller Ferrero erklärt dazu auf Anfrage des ARD-Faktenfinders, dass die abgebildeten Hohlfiguren unter den Namen "kinder Weihnachtsmann mit Überraschung classic" und "kinder Weihnachtsmann mit Überraschung rosa" angeboten werden.

"Darüber hinaus bieten wir weitere Hohlfiguren der Marke kinder an, die wir aufgrund unterschiedlicher Formen und Motive (Schneemann, Pinguin usw.) allgemein als 'Hohlfiguren' bezeichnen. Hohlfiguren haben keine Füllung, sind also innen hohl", so die Pressestelle. Und bei dieser Werbeaktion im Discounter wurden genau solche unterschiedlichen Figuren angeboten.

Ferrero betont außerdem, dass es "strikt gegen jegliche Form von Diskriminierung oder Fremdenfeindlichkeit ist und sich ausdrücklich davon distanziert, mit der Benennung von Produkten politische Botschaften senden zu wollen".

Starke Emotionen, Vielzahl von Traditionen

Warum tauchen solche Narrative gerade zur Advents- und Weihnachtszeit auf? Sie eignen sich besonders gut für die Verbreitung von Falschmeldungen, da sie mit starken Emotionen und einer Vielzahl von Traditionen verbunden sind, erklärt Janine Patz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena. "Dass besonders Weihnachten instrumentalisiert wird, liegt auch daran, dass mit dem Thema bei einem enorm großen Bevölkerungsanteil Betroffenheit erzeugt werden kann. Mit identitätsstiftenden und emotional besetzten Inhalten lassen sich zudem Verlustängste und Stimmung gegen gesellschaftliche Gruppen sehr einfach befeuern."

"Diese rechten Agitationen sollen entweder glauben machen, dass die Verwendung der Begriffe oder der Brauch gänzlich verboten werden sollen." Ziel sei es "die Gesellschaft zu spalten, Feindbilder zu schüren und die Demokratie zu destabilisieren, indem politisch Verantwortungstragenden eine vermeintlich 'volksschädliche' Motivation für ihr Handeln unterstellt wird. Oft wird suggeriert, dass den Menschen Freiheit, Wohlstand oder die kulturelle Identität genommen werden soll".

Weihnachtsmarkt und Winterwunderland

Auch das Onlinemedium "NIUS" widmet sich dem Thema Weihnachten. Dort wird in einem Kommentar mit der Überschrift "Wokes Wolfsburg: Weihnachtsmarkt heißt hier 'Winterwunderland'" unter anderem behauptet, dass sich Wolfsburg nicht mehr traue, das "Zauberwort 'Weihnachten'" auszusprechen.

Worauf sich der Autor im Kommentar bezieht, ist eine Aktion der Autostadt Wolfsburg, eine Tochtergesellschaft von Volkswagen. Dort findet noch bis zum 5. Januar das "Winterwunderland" statt. Der Autor kritisiert, dass das Wort "Weihnachten" vermieden wird und der Begriff "Weihnachtsbaum" gegen das Wort "Wünschebaum" ersetzt wurde.

Der Artikel wird zahlreich in den sozialen Netzwerken geteilt, auch von der AfD. So schreibt Vanessa Behrend, familienpolitische Sprecherin der AfD Landtagsfraktion Niedersachsen, auf X: "Dieses Fest ist ein fester Bestandteil unserer christlichen Kultur, an dem traditionell ein Weihnachtsbaum aufgestellt wird und kein 'Wünschebaum'. Wenn dies unseren muslimischen Mitbürgern nicht passt, dann sollen sie den Weihnachtsmärkten fern bleiben."

Screenshot von einem Post auf X.

Stimmungsmache gegen Muslime auf X.

Falschbehauptungen im Kommentar

Doch der Kommentar enthält Falschbehauptungen. In Wolfsburg gibt es sehr wohl einen Weihnachtsmarkt, der auch so benannt wird. Er wird auch online auf der offiziellen Webseite der Stadt Wolfsburg erwähnt.

Die Autostadt Wolfsburg wehrt sich auf Anfrage des ARD-Faktenfinders gegen die Vorwürfe und Falschbehauptungen von "NIUS". Man stünde für Vielfalt und Respekt, erklärt Pressesprecher Eric Felber. Der Markt werde in diesem Jahr bereits zum 25. Mal veranstaltet. "Das Thema Weihnachten spielt dabei für uns stets eine wichtige Rolle, ist aber eben nicht der alleinige Inhalt unseres Events. Unsere 4.000 Quadratmeter große Eislauffläche etwa hat primär erstmal nichts mit dem Weihnachtsfest zu tun, sondern ist eine Attraktion, die man im Winter nutzt und genießt."

All das habe die Autostadt bereits im Jahr 2007 bewogen, dass der Begriff "Weihnachtsmarkt" nicht ausreicht, um das Event treffend zu beschreiben, und hat den Namen geändert. "Gleichwohl haben wir einen festlich geschmückten Weihnachtsbaum - und nennen ihn auch so. Die Behauptung bei 'NIUS', wir würden ihn stattdessen 'Wünschebaum' nennen, ist schlicht falsch. Hier sei erwähnt, das 'NIUS' auch nie bei uns nachgefragt hat, um den Sachverhalt seriös zu recherchieren", so Felber.

Tatsächlich gibt es auch einen "Wünschebaum" in der Autostadt. Es handelt sich dabei um einen Tannenbaum, der im Foyer des Verwaltungshauses steht. "Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Aktion mit der Intitiative 'Schenke ein Lächeln', die sich für benachteiligte Kinder einsetzt", erklärt Felber. Die Kinder würden ihre Weihnachtswünsche auf Karten schreiben, die dann an den Baum gehängt werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Autostadt nehmen diese Karten vom Baum und erfüllen die Wünsche.

Alter Weihnachtsbaum mit Ukraine-Fähnchen

Um einen Tannenbaum geht es auch bei einem anderen vielfach geteilten Foto. Zu sehen ist ein mit ukrainischen Fähnchen geschmückter Weihnachtsbaum am Checkpoint Charlie. Ein Posting dazu wurde mehr als 133.000 mal angezeigt. Ein Textauszug dazu: "Das eigene Land verreckt und da machen diese Volldeppen so einen Weihnachtsbaum..."

Screenshot von einem Post auf X mit einem Fake Foto von einem Weihnachtsbaum mit Ukraineflaggen als Dekoration.

Dieses Foto ist schon zwei Jahre alt und nicht aus diesem Jahr.

Doch das Foto ist nicht aktuell. Aufgestellt wurde der Weihnachtsbaum in der Adventszeit 2022 - dem Jahr, in dem Russland die Ukraine angegriffen hatte. Das zeigt eine Bilderrückwärtssuche. Auf der Webseite des "Mauermuseum - Museum am Checkpoint Charlie" findet sich dazu ein Eintrag vom 2. Dezember 2022: "Zu diesem Weihnachtsfest wünschen wir der Ukraine Frieden in Freiheit und Unabhängigkeit."

Hetze gegen bestimmte Gruppen in der Gesellschaft

Ziel solcher Narrative sei es, gegen bestimmte Gruppen in der Gesellschaft zu hetzen. Patz erläutert: "Diese Desinformationen wiegeln gezielt gegen Menschen auf, die im Sinne des rechten Weltbildes als nicht dazugehörig deklariert und denen eine 'Andersartigkeit' aufgrund abweichender Herkunft, Kultur, Religion und Tradition zugeschrieben werden."

Es werde dann behauptet, diese seien der vermeintliche Grund, weswegen man angeblich "immer weniger 'deutsch' sein dürfte, die eigene Kultur aufgeben oder sogar in Gänze gegen sie ausgetauscht würde." Nicht selten würde dies sogar als Beispiel einer angeblich geplanten "Umvolkung" oder vermeintlichen "Islamisierung" propagiert.

Patz erklärt, dass solche Narrative direkt an Verschwörungserzählungen anknüpfen, "dass in unserer Gesellschaft immer mehr Freiheiten eingeschränkt würden. Nachdem vermeintlich immer weniger gesagt werden dürfe, darf nun auch immer weniger gelebt werden. Die Traditionen gehen dabei nicht einfach verloren, diese Falschmeldungen sollen implizieren, dass sie den Menschen absichtsvoll genommen werden".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Dezember 2024 um 16:22 Uhr.