![Demonstration gegen die Auslieferung von Maja T. nach Ungarn Anfang Juli 2024 in Leipzig | dpa Demonstration gegen die Auslieferung von Maja T. nach Ungarn Anfang Juli 2024 in Leipzig](https://images.tagesschau.de/image/fe3b2275-b3da-44ea-a8a6-627c344e19d4/AAABkiiD4XY/AAABkZLrr6A/original/demonstration-maja-t-gefaengnis-100.jpg)
Bundesverfassungsgericht Auslieferung von Maja T. nach Ungarn war unzulässig
Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung einer mutmaßlich linksextremen Person nach Ungarn für rechtswidrig erklärt. Zugleich übte es Kritik an einem Berliner Gericht. Das Urteil ist auch politisch brisant.
Die Auslieferung der laut Sicherheitsbehörden linksextremen Maja T. nach Ungarn war rechtswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht nach einer Verfassungsbeschwerde entschieden. Die sich als non-binär identifizierende T. sitzt seit Juni 2024 in ungarischer Untersuchungshaft, ihr drohen dort bis zu 24 Jahre Haft wegen eines mutmaßlichen Angriffs auf Rechtsextreme.
Maja T. wird von ungarischen Sicherheitsbehörden vorgeworfen, im Februar 2023 gemeinsam mit weiteren Personen vermeintliche Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen zu haben. T. soll seit 2017 einer linksextremen Gruppe angehören und wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen. Mehrere weitere Tatverdächtige in der Sache, die bis dahin untergetaucht waren, hatten sich am 20. Januar freiwillig den deutschen Behörden gestellt.
Auslieferung bevor Verfassungsgericht entscheiden konnte
Die von Ungarn beantragte Auslieferung von Maja T. war am 27. Juni 2024 vom zuständigen Berliner Kammergericht für rechtmäßig erklärt worden. Eine von T.s Anwälten erwirkte einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (Az.: 2 BvR 1103/24) am nächsten Morgen kam rund vier Stunden zu spät: T. war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung schon über Österreich nach Ungarn gebracht worden. Die Anweisung an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, eine Übergabe zu verhindern und die Rückführung zu erwirken, blieb folgenlos.
Das Urteil ist auch politisch brisant, weil das Bundesverfassungsgericht den schriftlichen Zusagen der ungarischen Behörden ausdrücklich nicht glaubt, dass non-binäre Personen keine Diskriminierung oder Gewalt in ungarischen Gefängnissen zu fürchten haben. In ungarischen Gefängnissen gebe es zudem systematische Mängel wie Überbelegung. Die Klägerin hatte sich mit Hinweis auf ihre Geschlechtsidentität auf Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) berufen.
Karlsruhe: Kammergericht hat nicht ausreichend geprüft
Das Verfassungsgericht kam nun zu dem Schluss, dass das Kammergericht die Lage nicht ausreichend geprüft habe. "Insbesondere hat es die Haftumstände, die die beschwerdeführende Person in Ungarn erwarteten, nicht hinreichend aufgeklärt", teilte das Gericht mit. Die Überstellung stelle einen "tiefgreifenden Grundrechtseingriff" dar. Ob Deutschland nun die Rücküberstellung der deutschen Staatsbürgerin beantragt, blieb zunächst unklar. Laut T.s Anwalt Sven Richwin sitzt die Person in Isolationshaft.
Die Karlsruher Entscheidung sei juristisch "ein großer Erfolg", teilte Anwalt Richwin mit. Sie werde T. aber nicht ohne Weiteres aus der Isolationszelle führen. Er hoffe, dass die ungarischen Behörden jetzt zumindest Hafterleichterungen gewähren. Der Prozess solle am 21. Februar in Budapest beginnen. Gegen ein Geständnis ohne weitere Verhandlung seien 14 Jahre Haft angeboten worden, schilderte der Anwalt. Lasse T. sich darauf nicht ein, könne das Verfahren noch Jahre dauern.
Verbindungen zum "Antifa-Ost"-Verfahren um Lina E.
Die Vorfälle, auf denen die Vorwürfe gegen T. basieren, ereigneten sich laut Bundesanwaltschaft anlässlich des sogenannten "Tags der Ehre". Hierfür kommen Rechtsextremisten aus ganz Europa jedes Jahr nach Budapest, um dem Ausbruchsversuch der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ihrer ungarischen Kollaborateure aus der von der Roten Armee belagerten Stadt am 11. Februar 1945 zu gedenken.
Der im vergangenen Herbst nach langer Fahndung festgenommene Johann G. wird hingegen nicht nach Ungarn ausgeliefert. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Jena Ende Januar entschieden. Gegen den Linksradikalen G. ermitteln deutsche und ungarische Behörden wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und wegen Körperverletzungsdelikten. In Deutschland soll er zu den mutmaßlichen Rädelsführern im "Antifa-Ost"-Verfahren rund um Lina E. gehören.
Das Urteil gegen Lina E. wird derzeit in einem Revisionsverfahren vom Bundesgerichtshof geprüft. Das Oberlandesgericht Dresden hatte Lina E. deshalb im Mai 2023 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Aktenzeichen 2 BvR 1103/24
Mit Informationen von Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion