Das Logo des Bundesnachrichtendiensts

Medienberichte zu Ursprung der Pandemie Hielt das Kanzleramt BND-Einschätzung zu Corona zurück?

Stand: 12.03.2025 16:10 Uhr

Laut Medienberichten ging der Auslandsgeheimdienst BND in der Pandemie mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass das Coronavirus seinen Ursprung in einem Labor in China hatte. Doch das Kanzleramt soll die Einschätzung zurückgehalten haben.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hält es für wahrscheinlich, dass ein Laborunfall im chinesischen Wuhan die Ursache der weltweiten Corona-Pandemie gewesen ist. Zu dieser Bewertung kam der deutsche Auslandsgeheimdienst nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und Zeit bereits im Jahr 2020. 

Grundlage waren neben einer Analyse öffentlicher Daten vor allem Material, das im Rahmen einer nachrichtendienstlichen Operation mit dem Codenamen "Saaremaa" beschafft wurde, wie die Medien berichteten. Dabei handelt es sich den Berichten zufolge unter anderem um wissenschaftliche Daten aus chinesischen Forschungseinrichtungen - darunter dem "Wuhan Institute of Virology".

Laborthese mit 80 bis 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Es gilt als eine der führenden chinesischen Einrichtungen für Virenforschung - auch an Coronaviren wurde dort geforscht. Neben Hinweisen auf riskante Experimente, bei denen in der Natur vorkommende Viren künstlich verändert wurden, soll das "Saaremaa"-Material auch zahlreiche Verstöße gegen Vorschriften für die Labor-Sicherheit nachweisen. 

Die Laborthese wurde laut den Berichten vom BND mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent bewertet. Die zweite These, wonach das Virus wie auch schon das der SARS-Epidemie von 2002/2003 einen natürlichen Ursprung hatte, wurde demnach für weniger wahrscheinlich gehalten. 

Unter Verschluss?

Das Kanzleramt habe allerdings entschieden, die brisante Einschätzung unter Verschluss zu halten, schreibt die SZ. Altkanzlerin Angela Merkel wollte sich auf Anfrage der Medien nicht dazu äußern, ob sie von dem Vorgang Kenntnis erhielt. Der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun und der für die Nachrichtendienste zuständige Staatssekretär, Johannes Geismann, wollten sich demnach ebenfalls nicht äußern. 

Direkt nach dem Regierungswechsel von Merkel zu Olaf Scholz habe BND-Chef Bruno Kahl das Kanzleramt erneut informiert. Das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages sei hingegen nicht unterrichtet worden, ebenso wenig wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Bundesregierung schweigt zu Berichten

Ende vergangenen Jahres entschied die Bundesregierung dem Bericht zufolge, externe Experten mit der Überprüfung der BND-Erkenntnisse zu beauftragten. Seit dem vergangenen Dezember prüfen demnach im Auftrag des Kanzleramts hochrangige externe Wissenschaftler die Validität der BND-Erkenntnisse. Zu der Gruppe gehörten der Präsident des Robert Koch-Institutes, Lars Schade und der Berliner Virologe Christian Drosten. Ein abschließendes Ergebnis liege noch nicht vor. 

Auf einen detaillierten Fragenkatalog erklärte ein Regierungssprecher gegenüber den Medien: "Zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten nehmen wir grundsätzlich öffentlich nicht Stellung." Auch der BND äußert sich nicht.

Auch US-Regierung geht Ursprungsfrage nach

Auch die neue US-Regierung unter Donald Trump - dessen Umgang mit der Pandemie damals für viel Kritik sorgte - geht dieser These erneut nach. Der neue Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, hatte im Januar als eine seiner ersten Amtshandlungen die Einschätzung seiner Behörde zum Ursprung des Coronavirus geändert.

Ein forschungsbedingter Ursprung der Covid-19-Pandemie sei auf der Grundlage der verfügbaren Berichte wahrscheinlicher als ein natürlicher Ursprung, hieß es. Die Unsicherheiten bei dieser Einschätzung seien aber groß, an der Untersuchung des Ursprungs werde weiter gearbeitet. 

Zuvor hatte die CIA die Position vertreten, dass es keine ausreichenden Informationen für eine Beurteilung dazu gibt, ob das Virus von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist oder auf eine Panne in einem chinesischen Labor zurückgeht.

Ratcliffe hatte bereits in der Vergangenheit die Labortheorie vertreten und Peking vorgeworfen, den Ursprung des Virus zu verschleiern. 

Virologen tendieren zu These von natürlichem Ursprung

Ein Argument von Befürwortern der Laborthese ist, dass China andernfalls längst wissenschaftliche Belege für den natürlichen Ursprung des Virus hätte liefern können und müssen. "Chinesische Wissenschaftler haben dafür alle technischen Möglichkeiten", hatte der Virologe Christian Drosten im Januar der Zeitung taz gesagt. Er habe solche Studien auch erwartet - gekommen seien sie aber nicht. Je mehr Zeit vergehe, desto skeptischer werde er. "Verbietet die Staatsräson, dass daran gearbeitet wird? Mag sein. Die andere Erklärung wäre aber, dass da gar kein natürliches Virus war."

Derzeit hält Drosten aber einen natürlichen Ursprung von SARS-CoV-2 immer noch für wahrscheinlich - "und das nehmen auch fast alle Wissenschaftler an, die mit dem Thema befasst sind". Aufgrund der aktuell zur Verfügung stehenden - wenn auch schwachen - Datenlage sei anzunehmen, dass die Übertragung auf den Menschen über Zwischenwirte zum Beispiel auf Tierfarmen stattgefunden habe, sagte Fabian Leendertz, Direktor des Helmholtz Institute for One Health in Greifswald.

Die Frage der Herkunft des Virus ist bis heute ein Rätsel. Die Aufklärung wird erschwert, weil die chinesische Regierung Untersuchungen der WHO blockiert. Für keine der beiden Thesen gibt es Beweise.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. März 2025 um 16:30 Uhr.