Appell an Kanzler Scholz Vereine sehen Arbeit gegen Rechtsextremismus bedroht
Weil sie ihr Engagement für die Demokratie in Gefahr sehen, haben zahlreiche Vereine und Stiftungen den Bundeskanzler um Hilfe gebeten. Hintergrund ist die Gesetzeslage zur Gemeinnützigkeit, die offenbar die AfD zu nutzen weiß.
Mehr als 100 Vereine und Stiftungen sehen ihr Engagement gegen Rechtsextremismus akut bedroht und haben sich deswegen an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt. "Wir alle werden in unserem Engagement durch das Gemeinnützigkeitsrecht behindert. Es gefährdet unsere Arbeit", heißt es in einem Brief, der dem "Spiegel" vorliegt.
Die vor allem in Ostdeutschland aktiven Organisationen fordern den Kanzler und die Regierung auf, das Gemeinnützigkeitsrecht zu ändern. "Nur eine zügige Reform kann verhindern, dass in den nächsten Monaten immer mehr Vereine Probleme bekommen und sich zurückziehen", steht in dem Schreiben aus der Zivilgesellschaft.
Organisationen: AfD als Anschwärzer
Die Unterzeichner befürchten, nicht mehr als gemeinnützig zu gelten, wenn sie sich politisch engagieren. Finanzbehörden drohten ihnen mit dem Verlust dieses Status, weil ihr Einsatz für Grundrechte als "einseitig" beanstandet werde. Zudem werfen die Organisationen der AfD vor, mithilfe der aktuellen Rechtslage Demokratiearbeit zu sabotieren, indem die Partei Initiativen anschwärze.
Die AfD war bei der Europawahl zur zweitstärksten Kraft in Deutschland aufgestiegen. In den fünf ostdeutschen Bundesländern wurde die AfD sogar stärkste Partei. Vor den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen führt sie die Umfragen an.
Die Unterzeichner des Brandbriefs an den Bundeskanzler sind überwiegend kleine Organisationen aus Wohlfahrtspflege, Sport, Kultur und Bildung, Natur- und Umweltschutz sowie Demokratiearbeit. Die meisten sind im ländlichen Raum tätig.
Reformpläne der Ampel nicht umgesetzt
Der Bundesfinanzhof hatte 2019 mit Blick auf das Anti-Globalisierungsnetzwerk Attac geurteilt, dass Tätigkeiten, die darauf abzielen, politische Entscheidungen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen, nicht gemeinnützig seien und daher keinen Anspruch auf Steuervorteile hätten. Die Regierungsparteien hatten sich bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren und die Zwecke der Gemeinnützigkeit zu erweitern und zu konkretisieren.
Als gemeinnützig werden Organisationen und Initiativen anerkannt, wenn sie "die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos fördern". Wer als gemeinnützig anerkannt ist, ist steuerlich begünstigt und kann Spenden und Zuwendungen annehmen.