Bundestagswahl 2025

Ein Gruppenfoto vom 24.11.2021 zeigt von links nach rechts Michael Kellner, Norbert Walter-Borjans, Annalena Baerbock, Robert Habeck, Olaf Scholz, Christian Lindner, Volker Wissing, Saskia Esken und Lars Klingbeil nach Koalitionsgesprächen.
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Verluste in Umfragewerten Wie die Ampel an Zufriedenheit einbüßte

Stand: 05.02.2025 06:31 Uhr

Keine Koalition hat in der Geschichte des ARD-DeutschlandTrends so sehr an Zufriedenheit eingebüßt wie die Ampel-Regierung aus SPD, FDP und den Grünen. Doch aus dem Scheitern lässt sich auch lernen.

Von Lisa-Marie Eckardt und Christian Basl, WDR

Zwischen dem Start im Dezember 2021 und dem letzten erhobenen Wert vor dem Bruch der Ampel-Regierung verlor die Koalition aus SPD, Grünen und FDP insgesamt 32 Prozentpunkte an Zustimmung - mehr als jede andere Regierungskoalition seit 1998. Das zeigt eine Analyse des monatlich erhobenen ARD-DeutschlandTrends.

Dabei stand die Ampel-Regierung unter keinem schlechten Stern, als sie ihre Arbeit aufnahm: Noch nach der Bundestagswahl im September 2021 hatte sich eine Mehrheit der Deutschen im DeutschlandTrend für eine Ampelkoalition unter Olaf Scholz ausgesprochen. "Die Ampel ist mit Vorschusslorbeeren gestartet", sagt Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. "Vor der Wahl 2021 wurde sie von allen Bürgern präferiert. Sie trat als Fortschrittskoalition an."

Im Koalitionsvertrag hatten sich die Parteien hohe Klimaziele, mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Geld für Digitalisierung vorgenommen - Aufbruchstimmung für das Land nach fast zwei Jahren Pandemie. Auch die ersten Umfragen nach Aufnahme ihrer Arbeit bescheinigten dem Kabinett Spitzenwerte: Zwischen 38 und 56 Prozent Zufriedenheit erreichte die Koalition in den ersten DeutschlandTrend-Zahlen nach Start der Regierung. Solche Werte schaffte im Vergleich seit 1998 nur das erste und dritte Kabinett Merkel in den Anfangstagen im Amt. 

Ukraine-Krieg verschiebt den Problemfokus

Der Fall beginnt in der Zeit nach dem 24. Februar 2022, als Russland die schlimmsten Befürchtungen wahr machte und die Ukraine überfiel. Der Krieg habe die Startbedingungen der Koalition vollständig verändert und die finanzpolitischen Grundlagen der Koalition infrage gestellt, sagt Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der FU Berlin. "Krisen erfordern meist ad hoc eine schnelle Reaktion, das verträgt sich kaum mit der langfristigen Gestaltung gesellschaftlichen Fortschritts und Transformation."

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2021 verschob sich auch der Problemfokus der Deutschen: Vor der Bundestagswahl 2021 gaben noch 33 Prozent an, das wichtigste Problem, um das sich die Politik vorrangig kümmern müsse, sei der Klimawandel. Während das Thema zwar über die Dauer der Ampelkoalition präsent blieb, rückten mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs andere Themen in den Fokus: Außenpolitik und Frieden, Energiepolitik und Inflation - und das Dauerthema Migration.

Heizungsgesetz als erster Streit-Höhepunkt

Die Koalition musste auf den Krieg reagieren: Es wurden 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitgestellt, Wirtschaftsminister Robert Habeck suchte nach Alternativen zum russischen Gas, und Finanzminister Christian Lindner musste hohe neue Schulden aufnehmen. "Erst die Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik verschärften den Streit, insbesondere durch das Dauerthema Schuldenbremse", sagt Politikwissenschaftler von Alemann. 

Einen ersten Höhepunkt erreichte der Ampel-Streit beim Heizungsgesetz. Ein sehr früher Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums wurde an die Presse durchgestochen - und brachte die Regierung in Erklärungsnot. Nach diesem frühen Entwurf sollte der Einsatz von Öl- und Gasheizungen zugunsten klimaschonender Heizungsanlagen schrittweise verboten werden.

"Nicht das - sicher überzogene - Gesetz an sich wurde zum Angelpunkt des Streits, sondern der Bruch des Vertrauens", sagt von Alemann. Öffentlich wurde der unfertige Gesetzentwurf heftig debattiert, fast sieben von zehn Deutschen machten sich im Juni 2023 Sorgen, dass die geplanten Maßnahmen sie finanziell überfordern würden. Gut informiert fühlten sich nur gut zwei von zehn. Viele empfanden den Streit um die klimaschonenden Heizungen nicht als lösungsorientiert.

Einschnitt durch Haushaltsurteil

Die Zufriedenheit mit der Regierung war im Juni 2023 bereits von den anfänglichen 46 Prozent auf 20 Prozent gesunken. 79 Prozent sagten zu dem Zeitpunkt, sie seien weniger bis gar nicht zufrieden.

"Aber der entscheidende Einschnitt war der 15. November 2023, als das Bundesverfassungsgericht die Haushaltspolitik für teilweise verfassungswidrig erklärte", sagt Politikwissenschaftler von Alemann. "Ab dann trieb die Haushalts- und Finanzpolitik die Koalition immer weiter auseinander."

In den letzten Wochen vor dem Ampel-Aus ging es um den richtigen Kurs in der Wirtschaftspolitik. Vor allem SPD und FDP warfen sich im Nachhinein gegenseitig vor, den Bruch der Ampelkoalition provoziert zu haben. Olaf Scholz kam der FDP dann zuvor - mit der Entlassung des Finanzministers im November 2024.

Große Einbußen bei Scholz und Lindner

Die beiden verzeichneten in den Zufriedenheitswerten im ARD-DeutschlandTrend die größten Einbußen. Noch im Januar 2022 sagten 60 Prozent der Deutschen, sie seien mit der politischen Arbeit von Olaf Scholz zufrieden oder sehr zufrieden - Ende Januar 2025 sind es nur noch 24 Prozent. Das entspricht einem Minus von 36 Prozentpunkten, der größte Verlust im Vergleich der Spitzenpolitiker aus dieser Legislaturperiode. Lindner rutschte im gleichen Zeitraum um 32 Prozentpunkte ab, gefolgt von Robert Habeck mit einem Verlust von 19 Prozentpunkten.

Die Analyse der DeutschlandTrend-Daten zeigt: Auch im Vergleich der letzten drei Kabinette hatten keine anderen Politiker, für die im DeutschlandTrend jeweils Start- und Endwerte vorliegen, so hohe Verluste. Bei einem Minus von mehr als zehn Prozentpunkten lagen nur Heiko Maas (SPD) und Peter Altmaier (CDU) im vorherigen Kabinett sowie Ampel-Politikerin Christine Lambrecht (SPD), die ihr Amt als Verteidigungsministerin bereits nach 13 Monaten in der Ampelkoalition räumen musste. 

Doch unter den Ampel-Politikern ist auch ein Zustimmungsgewinner: Lambrechts Nachfolger Boris Pistorius, der zwischen Februar 2023 und November 2024 um 23 Prozentpunkte zulegte. Viele hätten den beliebten SPD-Politiker gern als Kanzlerkandidaten gesehen, er verzichtete jedoch.

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz scheint zumindest mit Blick auf seine Beliebtheitswerte vom Bruch der Ampelkoalition nicht wesentlich profitiert zu haben. Der Beliebtheitswert für ihn sank im Vergleich zum Beginn der Ampelkoalition leicht um vier Prozentpunkte auf 28 Prozent im Januar 2025. Alice Weidel hingegen hat als Kandidatin der AfD mit sieben Prozentpunkten dazugewonnen. Mit 22 Prozent Zustimmung liegt sie bereits vor Lindner und nur noch knapp hinter Scholz.

Historischer Tiefstand kurz vor dem Ampel-Aus

Kurz vor dem Bruch der Koalition, Ende Oktober 2024, erreichte die Zufriedenheit mit der Regierung einen historischen Tiefstand: Nur noch 14 Prozent gaben an, mit der Ampel zufrieden zu sein. 

Politikwissenschaftlerin Reuschenbach zieht eine gemischte Bilanz. Zwar seien mehr als die Hälfte der Vorhaben des Koalitionsvertrags erfolgreich bearbeitet worden. "Zugleich haben alle drei viele Schwächen in der politischen Kommunikation gezeigt und die Menschen lasten den Personen natürlich auch individuelle Versäumnisse an", sagt sie.

"Wie hätte es besser funktionieren können? Mit mehr Vertrauen", sagt Politikwissenschaftler von Alemann. "Dazu gehört Vertraulichkeit einzuhalten, die für das Regierungshandeln von drei unterschiedlichen Partnern unverzichtbar ist."

Daraus ließen sich auch Lehren ziehen für kommende Koalitionen. Für Reuschenbach ist es vor allem Kompromissfähigkeit: "Die politische Mitte muss immer in der Lage sein, miteinander im Dialog zu bleiben und eine Wertschätzung von Kompromissen als zentrales Element unserer Konsensdemokratie vorleben. Wer Kompromisse und Interessenausgleich verächtlich macht, Kompromisslosigkeit und rote Linien zur ersten Wahl der Politik erhebt, sieht am Beispiel Österreichs, was droht."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. Januar 2025 um 16:46 Uhr.