Bundestagswahl 2025

Wahlverhalten junger Menschen "Wir wollen halt, dass sich schnell etwas ändert"
Bei jungen Wählern konnten vor allem AfD und Linke punkten. Eine Protestwahl war es für die meisten nicht. Vor allem das soziale Umfeld sei für junge Wähler entscheidend, sagen Experten - und sprechen von einer Sogwirkung.
Mehrere Dinge fallen auf, wenn man mit jungen Wählern ins Gespräch kommt: Viele von ihnen äußern konkrete Zukunftsängste, viele suchen nach Antworten nicht bei Parteien der politischen Mitte, und fragt man nach konkreten Lösungsvorschlägen linker und rechter Parteien, dauert es lange, bis ihnen etwas einfällt. "Wir wollen halt, dass sich schnell etwas ändert und das versprechen die Parteien an den politischen Rändern", sagt der 25-jährige Max Frien. Der Fachinformatiker war bereits sechs Jahre bei der Bundeswehr und will nach seinem Abschluss zur Fachhochschulreife wahrscheinlich wieder zur Truppe.
Alle anderen Altersgruppen sind bei Bundestagswahlen recht leicht berechenbar. Bei jungen Wählern scheint es dagegen Modeerscheinungen zu geben. Waren es zur aktivsten Zeit von Fridays for Future die Grünen und die SPD oder 2009 die FDP, die den richtigen Ton bei den jungen Leuten trafen, waren es diesmal die Linke und die AfD. Beide Parteien kämpften mit zahlreichen Influencern auf Social Media um Erstwähler - und das erfolgreich.
"Wir werden geflutet von Bildern, die Einfluss auf uns nehmen"
"Der Greta-Effekt ist weg, aber wir suchen immer noch Anschluss an Gruppen oder Bewegungen", sagt Moritz Sturny. Er ist 22, hat eine Ausbildung zum Verwaltungsfachmann gemacht und holt jetzt die Fachhochschulreife nach. Gruppen bilden sich heute vor allem in Social-Media-Kanälen, dort nennt man sie "Bubbles", und Algorithmen sorgen dafür, dass man immer mehr der gleichen Inhalte präsentiert bekommt, die man sowieso schon konsumiert.
"Das Netz ist voller politischer Einflussnahme", ergänzt sein Klassenkamerad Matthias Backer, 23, gelernter Einzelhandelskaufmann. "Selbst auf eigentlich unpolitischen Seiten werden wir geflutet von Bildern, die Einfluss auf uns nehmen. Bilder vom Krieg, von Anschlägen, schlimme Bilder, die anderswo nicht gezeigt werden. Und die machen was mit dir. Jeder hat eine politische Grundeinstellung, deshalb bewirken solche Bilder bei einem AfD-Wähler eine andere Reaktion als bei jemand, der die politische Mitte wählt."

Vor allem Linke und AfD schnitten bei Jugendlichen gut ab.
Meinungen noch nicht so gefestigt
Professor Uwe Jun, Politikwissenschaftler von der Universität Trier, bestätigt das. "Das Umfeld von jungen Leuten ist sehr wichtig für deren politische Prägung. Die Meinungen sind hier noch nicht so gefestigt, sie sind leichter zu beeinflussen. Die politischen Haltungen und damit einhergehende Parteineigung sind bei jungen Leuten unsteter, deshalb könnten sich die Parteien auch mittel- oder langfristiger als Wähler nicht auf sie verlassen."
Das sähe man auch an den Präferenzen der Jungen bei den vergangenen Wahlen. "Gewählt wurden immer gerne die Parteien, die ihre Politik pointierter darbieten, und das machen eher Parteien in der Opposition."
Das politische Interesse sei bei jungen Menschen insgesamt geringer als bei der älteren Bevölkerung, so Jun, man informiere sich oftmals weniger detailliert. Es gebe zwar junge Wähler, die Parteien sehr differenziert anschauen - auch über den Wahl-O-Mat - bei anderen spiele eher Aufgeschnapptes die wahlentscheidende Rolle.
Informationen über Social Media
Dem widerspricht Melinda Zanko. Sie ist 23 und gelernte Kauffrau für Büromanagement: "Ich glaube, wir Jüngeren sind besser informiert als die älteren Wähler, auch wegen Social Media. Ältere wählen oft das, was sie immer gewählt haben, ohne zu wissen, was aktuell die Inhalte dieser Partei sind. Wer zum ersten Mal wählt, informiert sich besser".
"Das Wichtigste aber ist, dass man sich überhaupt informiert", ergänzt ihre 19-jährige Freundin Angelina Okeke, die mit ihr Abitur macht. "Ich glaube nicht dem Populismus oder stimme genauso ab wie meine Familie. Ich habe die KI nach zusammengefassten Inhalten der Parteien gefragt und mich daran orientiert". Sie fühlte sich von der Linken sehr angesprochen. "Heidi hat einen Draht zu unserer Generation". Sie spricht von der Spitzenkandidatin der Linken, Heidi Reichinnek.
Besonders wichtig sind der Schülerin soziale Themen: Frauenrechte, Abtreibung, Mindestlohn. Sie und ihre Freundin haben beide dunkelhäutige Halbgeschwister, erzählen sie, und sie hätten schon Rassismus erlebt. Zuwanderung sei in ihren Augen allerdings ein großes Problem, beide würden sie gerne begrenzt sehen - "Grenzen dicht", sagt Melinda Zanko, und kriminelle Migranten härter bestrafen. Sie selbst suche derzeit eine Wohnung und es sei unheimlich schwer. "Flüchtlinge dürfen nicht bevorzugt werden, während hier viele nicht genug zum Leben haben."
Die 19-jährige Abiturientin Almenara Kamberi freut sich auch über das gute Abschneiden der Linken. "Mein ganzes Umfeld besteht hauptsächlich aus Linken-Wählerinnen, mit einem AfD-Wähler habe ich noch nie gesprochen - Bubbles gibt es nicht nur im Internet". Sie hat das Wahlprogramm der Linken gelesen und findet das Thema Gleichberechtigung darin gut behandelt. Außerdem möchte sie weniger deutsche Unterstützung für die Ukraine, weil sie Angst davor hat, Putin könnte seinen Krieg auf uns ausweiten.
Unterschiede zwischen Geschlechtern
Während junge Frauen vor allem die Linke gewählt haben, kamen bei einem großen Teil der jungen Männer die Argumente der AfD am besten an. "Wir sollten in Deutschland nicht so viel schwarzweiß denken", sagt Fachinformatiker Max Frien: "Die Linke schreckt mich ab. Für mich sind Wirtschafts- und Sicherheitspolitik die drängendsten Probleme und das können die nicht". Die AfD verkaufe sich da besser und mache glaubhaft, dass sie für die Sicherheit etwas tue.
Seinem Mitschüler Elias Mildner, 21, der Mediengestalter ist und nach der Schule vielleicht zur Polizei will, gefällt, dass das Thema Migration jetzt von vielen Parteien aufgegriffen wird. Er nennt es in direktem Zusammenhang mit den Anschlägen der vergangenen Monate: "Das wird mehr und das macht mir Angst."
Er erzählt, dass sein Opa 2016 bei dem Anschlag an der Blauen Moschee in Istanbul ums Leben gekommen ist. Für ihn habe dieses Thema deshalb eine hohe Emotionalität: "Doch die AfD wähle ich deshalb nicht". Er habe einen Freund aus Somalia, der hier eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, dagegen habe er überhaupt nichts. Aber er fände es gut, dass das Thema Zuwanderung jetzt kein Tabuthema mehr sei und man endlich ins Diskutieren komme.
Max Frien ergänzt: "Alle Parteien im Bundestag sind vom Volk da rein gewählt worden, dann müssen sie auch Lösungen gemeinsam finden dürfen. Allerdings sollten sich extreme Parteien von Extremisten trennen, denn vor solchen habe ich Angst". Die AfD in einer Regierungskoalition mit der CDU lehnen beide ab. "Meine Angst wäre, dass die CDU die ausgestreckte Hand der AfD annimmt. Es ist gut, dass Friedrich Merz sich klar dagegen positioniert hat und ich gehe davon aus, dass er sich daran hält".
![Deutliche Unterschiede gibt es zwischen Männern und Frauen. | ARD Bild: Umfrage, Bundestagswahl 2025, Stimmanteile bei 18-24-Jährigen | AfD [Frauen] 15,0 ([Männer] 27,0) | Union [Frauen] 10,0 ([Männer] 16,0) | Linke [Frauen] 35,0 ([Männer] 16,0) | SPD [Frauen] 13,0 ([Männer] 12,0) | Grüne [Frauen] 11,0 ([Männer] 10,0) | FDP [Frauen] 3,0 ([Männer] 7,0) | BSW [Frauen] 7,0 ([Männer] 6,0) | Infratest-dimap. 24.02.2025, 02:36 Uhr](https://images.tagesschau.de/image/6cc17f4b-2fe9-43b1-aa67-e9fdc0541450/AAABlTWghoo/AAABkZLlUbs/16x9-960/uvchart-umenstzs-a2025101-0btw-de-9100-135-wtb-jungwahler-altergeschlechtbar-lr2-animright-100.jpg)
Deutliche Unterschiede gibt es zwischen Männern und Frauen.
Politiker mit "Sogwirkung"
Der Anteil der 18- bis 24-Jährigen unter den Wahlberechtigten macht weniger als zehn Prozent aus, und doch habe deren Wahlentscheidung einen unübersehbaren Einfluss auf die großen Verschiebungen beim Abschneiden von AfD und Linken, sagt Politikwissenschaftler Uwe Jun: "Da sich diese Wählergruppe zu so großen Teilen für Linke und AfD entschieden hat, hat das am Ende doch erheblichen Einfluss, weil sie sich auch sehr deutlich gegen die Parteien der politischen Mitte entschieden haben".
Jun erklärt das Wahlverhalten der jungen Wähler mit dem Wort "Sogwirkung". Man folge gerne seinem Umfeld und suche sich Vorbilder wie "Popstar" Heidi Reichinneck von der Linken. Sie und auch viele AfD-Politiker hätten mit großem Aufwand in den Social-Media-Kanälen die richtigen Stichworte gefunden.