Bundestagswahl 2025

Tino Chrupalla und Alice Weidel

AfD vor der Wahl Stabil zum Erfolg

Stand: 14.02.2025 11:26 Uhr

Bei der kommenden Bundestagswahl könnte die AfD ihren Stimmenanteil verdoppeln. In den Umfragen ist sie seit Langem auf einem stabilen Niveau und kann auf eine treue Stammwählerschaft setzen. Wie ist das zu erklären?

Von Dominic Hebestreit, ARD-Hauptstadtstudio

Die Szene war sinnbildlich für die aktuelle Stimmung in der AfD. Als jüngst ein umstrittener Entschließungsantrag von CDU und CSU zur Verschärfung der Migrationspolitik zum ersten Mal im Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der Alternative für Deutschland fand, brach in den Reihen der AfD-Fraktion Jubel aus. Den Triumph dokumentierte der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner anschließend als Selfie mit den Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sowie weiteren AfD-Abgeordneten.

Der Kurs von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz war der Versuch, die Migrationsdebatte nicht allein der AfD zu überlassen. Die Union legte daraufhin im ARD-DeutschlandTrend einen Prozentpunkt zu. Die AfD aber auch. Ohne großes eigenes Zutun.

Jeder Fünfte kann sich vorstellen, sein Kreuz bei der in Teilen rechtsextremen Partei zu machen. Nach einer kurzen Delle in den Umfragen 2024 hat die AfD seit dem Jahreswechsel wieder die 20-Prozent-Schwelle erreicht. Dazu beigetragen hat sicherlich die Verunsicherung nach dem Ampel-Aus - aber auch eine effektive Strategie.

Die Reihen geschlossen

Mit Alice Weidel hat die AfD erstmals eine Kanzlerkandidatin, die zudem nach innen und nach außen wirkt. Zusammen mit Co-Parteichef Tino Chrupalla hat sie Ruhe in die Partei gebracht. Jahrelang hatte es immer wieder heftige Auseinandersetzungen zwischen dem gemäßigteren Teil und dem völkisch-nationalistischen geprägten "Flügel" um Björn Höcke gegeben.

Die Landesvorsitzenden und Mitglieder des Bundesvorstands haben Weidel im Januar einstimmig nominiert. Dahinter mag die Erkenntnis stehen, dass zerstrittene Parteien meist keinen guten Stand haben bei den Wählern. Geschlossenheit ist auch ein Garant für gutes Abschneiden bei der Wahl.

Öffentlich und in Interviews betont Weidel immer und immer wieder den aus ihrer Sicht wirtschaftsliberalen und bürgerlichen Charakter der Alternative für Deutschland. Weidels weiße Bluse, Perlenkette und Blazer scheinen das noch zu unterstreichen. Bei der Wahlkampfveranstaltung im baden-württembergischen Heidenheim bringt die Partei - der "abendländischen Hochkultur" verpflichtet - klassische Musik von Mendelssohn, Chopin und Rachmaninow im ausverkauften Konzerthaus zum Klingen.

AfD hat treue Stammwählerschaft

In den vergangenen Jahren hat die AfD eine treue Stammwählerschaft aufgebaut. "Das ist wie eine psychologische Parteimitgliedschaft. Es sind sehr loyale Mitglieder, die weithin unabhängig von tagesaktueller Performance oder Skandalen zu ihrer Partei stehen", sagt Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der TU Chemnitz. "Denn dort finden sie fast schon ein geschlossenes Weltbild. Dabei spielen Verschwörungstheorien eine Rolle, die losgelöst sind von den öffentlichen Diskursen."

Hinzu kommt: Rechtsextreme Einstellungen haben in Gesellschaft zuletzt an Stärke gewonnen - im Osten ein bisschen deutlicher als im Westen. Das zeigt beispielsweise die Leipziger Autoritarismus-Studie.

Mit Social Media zum Erfolg

Dazu passt, dass die AfD ihre Anhänger dort abholt, wo sie sind: in den sozialen Medien. Deutlich wurde das insbesondere beim Live-Gespräch zwischen Alice Weidel und US-Tech-Milliardär Elon Musk auf dessen Plattform X - eine Art Lagerfeuer-Moment für die Anhängerschaft. Durch sein Werben für die AfD beschert er der Partei Aufmerksamkeit und Reichweite.

Mit ihrer Digital-Strategie ist die AfD seit Langem ausgesprochen erfolgreich. Auf den Video-Plattformen TikTok und YouTube liegt sie mit weitem Abstand vor den anderen Parteien. Stellenweise hat sie - auch dank reichweitenstarker Accounts - mehr als die zehnfache Zahl an Abonnenten und erreicht damit vielfach junge Wähler.

Musk digital dabei

Auch beim Wahlkampfauftakt der AfD in Halle an der Saale war Musk digital zu Gast. Ein Event mit etwa 4.500 Gästen laut Parteiangaben, die Halle abgedunkelt. Auf der Bühne rechts und links jeweils acht akkurat platzierte Deutschlandflaggen, blaues Licht. Volksfeststimmung bei Bier und Popcorn.

Und eine Kanzlerkandidatin, die in Anlehnung an Musk und Trump formuliert: "Make Germany great again." Alles professionell durchorchestriert.

Kommunikative Doppelstrategie

Das allein erklärt aber nicht die Aussicht auf ein doppelt so starkes Ergebnis der AfD bei der kommenden Bundestagswahl verglichen mit 2021. Politikwissenschaftler Benjamin Höhne sieht eine wirksame Doppelstrategie: Einerseits versucht die Partei, gemäßigtere Wählerschichten anzusprechen. So hatte die Parteispitze etwa angekündigt, die Jugendorganisation "Junge Alternative" umzuorganisieren und enger an sich zu binden für mehr disziplinarische Durchgriffsmöglichkeit.

Mit einer gewissen Normalisierungsstrategie sei es ihr gelungen, aus der rechten, stigmatisierten Ecke herauszukommen und das Wählerpotenzial zu erweitern. Dazu passe, dass die Partei - anders als vergleichbare Parteien in Europa - auch bei Frauen punkten kann. Die sonst übliche Lücke zwischen den Geschlechtern konnte sie zunehmend schließen, beobachtet Höhne.

Zwischen Normalisierung und Radikalisierung

Andererseits ist die Wortwahl deutlich radikal. Etwa, wenn Alice Weidel auf dem Parteitag in Riesa zum einen sagt: "Nieder mit den Windmühlen der Schande." Und zum anderen: "Wenn das dann Remigration heißt, dann heißt das eben Remigration!"

Weidel bedient damit nicht zuletzt die Hardliner und Ultrarechten in ihrer Partei. Höhne meint: "Es scheint sich eigentlich zu widersprechen. Aber man kann eine Gleichzeitigkeit von Normalisierungsstrategie und Rechtsaußen-Kurs beobachten. Dies scheint geradezu das Erfolgsrezept der AfD im Osten zu sein."

Zugleich normalisieren sich die politischen Forderungen der AfD. Die Partei verschiebt Grenzen und wirkt zunehmend in die Mitte der Gesellschaft hinein. So sehr, dass inzwischen ein stabiles Fünftel der Wählerinnen und Wähler sie für eine Option bei der Bundestagswahl hält - aus Überzeugung, nicht aus Protest.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 06. Februar 2025 um 22:15 Uhr.