Bundesparteitag der Linken Der Versuch einer Auferstehung
Nach Abspaltung und im Umfragetief versammelt sich die Linke zum Bundesparteitag. Es geht um den entscheidenden Schwung für den Wahlkampf. Die Partei präsentiert sich so motiviert wie lange nicht mehr - allen Widrigkeiten zum Trotz.
Das ist noch etwas ungewohnt: Einigkeit und gute Stimmung bei der Linken. Die Vorsitzende Ines Schwerdtner strahlt: "Die Stimmung war in der Partei in den letzten Wochen so gut wie noch nie, deshalb gehe ich davon aus, dass das ein sehr schöner Parteitag wird."
Und auch die Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek ist kaum zu bremsen: "Ich glaub', das wird ein richtig gutes Klassentreffen, und dann gehen wir auch noch mal motiviert nach draußen."
Tausende neue Mitglieder und die "Silberlocken"
Nach draußen gehen mit Schwerdtner und Reichinnek Tausende Mitglieder. Nach parteiinterner Zählung sind 17.000 seit der Abspaltung von Sahra Wagenknecht neu in die Linke eingetreten. Sie kämpfen gegen schwache Umfragewerte von vier bis fünf Prozent an.
Immerhin glaubt die Partei, dabei gleich mehrere Trümpfe im Ärmel zu haben. Zum Beispiel die "Aktion Silberlocke" mit den Altvorderen Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow, der bis vor kurzem noch Ministerpräsident in Thüringen war.
Ramelow wirkt gut gelaunt. Er erzählt, wie sich bei einem Fototermin mit Gysi und Ramelow spontan etwa 200 Menschen um die drei Herren versammelt und spontan "Silberlocken, Silberlocken!" skandiert hätten. Ihm geht es vor allem um Sozialpolitik: Er will mit der Linken über das Verhältnis von Armut und Reichtum reden - und darüber, wie die Kluft kleiner werden kann.
Ramelow hat den Frohsinn derjenigen, die nichts mehr werden müssen, aber noch viel wollen: "Wir sind zwar alle drei im Rentenalter, aber wir trauen uns zu, als Seniorenexpress die Bundesrepublik Deutschland mit unserer Erfahrung noch mal richtig aufzumischen."
Die Parteiprominenten Gysi, Bartsch und Ramelow wollen den Einzug der Linken in den Bundestag mit Direktmandaten absichern - für den Fall, dass die Partei bundesweit unter fünf Prozent bleibt. Das ist der Plan.
Die Linke wirbt mit digitalen Angeboten
Ihr Wahlprogramm hat die Linke mit "Reichtum teilen, Preise senken. Füreinander" überschrieben. Außerdem behauptet sie: "Alle wollen regieren. Wir wollen verändern." Dass das möglich ist, sollen eine Mietwucher-App und eine Heizkosten-App beweisen. Die Linke hat sie entwickelt, mit ihrer Hilfe können Mieter vor allem aus größeren Städten sich gegen überhöhte Forderungen wehren.
Das könnte durchaus ein weiterer Trumpf sein, bewertet die Politologin Sahra Wagner: "Digitale Initiativen dieser Art können nicht nur jüngere, technologie-affine Menschen erreichen, sondern eben auch für mehr Medienaufmerksamkeit sorgen." Ob das allerdings als Gewinnerstrategie ausreicht, da ist Wagner eher skeptisch.
Für Parteichefin Schwerdtner gibt es einen weiteren Trumpf im Ärmel: klare Kante. "Politisch ist die AfD natürlich der Hauptgegner in diesem Wahlkampf, weil sie einfach durch ihre faschistischen Tendenzen, muss man mittlerweile ja sagen, und Remigrations-Fantasien und auch Schonung der Superreichen das radikalste und menschenverachtendste Programm haben", sagt sie.
Parteispitze setzt auf Einigkeit
Die Linke versucht, um es dieses Mal noch in den Bundestag zu schaffen, Jüngere und Ältere anzusprechen: Die "Silberlocken" verfangen bei den Älteren, sind aber auch für einige Junge Kult. Spitzenkandidatin Reichinnek ist Mitte 30 und erzielt in den Sozialen Medien nach eigenen Angaben Reichweiten bis zu fünf Millionen Views. Und auch wenn es beispielsweise im Landesverband Berlin noch Unfrieden gibt, auf Bundesebene überwiegt die Einigkeit.
Auch in diesem Sinne spricht Parteichef und Spitzenkandidat Jan van Aken alle an, die sich von der Kritik am Bürgergeld und an der bisherigen Migrationspolitik abgestoßen fühlen: "Wir sind die Partei, die nicht nach unten tritt. Nie."
Trotzdem braucht die Partei durchaus Ermutigung, damit am Ende des Wahlkampfes wirklich so eine Art Auferstehung stehen kann. "Wir haben es den Leuten nicht einfach gemacht in den letzten Jahren", sagt Reichinnek. "Aber seit ungefähr einem Jahr ist die Linke für mich fast eine neue Partei, also da ist so viel Elan, so viel Motivation, dass ich schon das Gefühl habe, dass wir damit auch die Leute überzeugen können."
Es wird nötig sein. Der Parteitag in Berlin soll Rückenwind dafür geben.